Bei einer Einwanderergruppe hat die SPD die Bundestagswahl gewonnen
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Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr waren 61,5 Millionen Menschen wahlberechtigt. Davon haben 6,3 Millionen Menschen einen Migrationshintergrund, rund zehn Prozent der damals Wahlberechtigten. Allerdings ist wenig darüber bekannt, wie diese Bürgerinnen und Bürger abgestimmt haben. Die Universität Duisburg-Essen hat jetzt die angeblich erste Studie zum Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund veröffentlicht. Im Fokus stehen dabei „Deutschtürken“ und „Russlanddeutsche“, von denen jeweils knapp 500 Menschen von den Wissenschaftlern befragt wurden.
AfD drittstärkste Kraft
Nach Angaben der neuen „Immigrant German Election Study“ haben 15 Prozent der Russlanddeutschen mit ihrer Zweitstimme die AfD gewählt. Auf alle Wähler bezogen hatte die Partei im September 2017 12,6 Prozent der Stimmen erhalten. Die Zustimmung fällt bei den Russlanddeutschen also etwas höher aus, obwohl dieser Einwanderergruppe in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder eine Nähe zu rechten Ansichten unterstellt wird.
In der Wählergunst der Russlanddeutschen steht die Union laut Studie mit 27 Prozent der Stimmen (26,8 Prozent im Vergleich) an erster Stelle, gefolgt von der Linkspartei mit 21 Prozent (9,2 Prozent). Abgeschlagen liegen die SPD mit 12 Prozent (20,5 Prozent), die FDP mit ebenfalls 12 Prozent (10,7 Prozent) sowie die Grünen mit 8 Prozent (8,9 Prozent).
Keine Stimme für die Rechtspopulisten
Deutsche mit türkischen Wurzeln haben bei der Bundestagswahl hingegen am häufigsten die SPD gewählt, so das Ergebnis der Wissenschaftler. Die Partei erhält 35 Prozent, gefolgt von der Union mit 20 Prozent sowie der Linkspartei mit 16 Prozent. 13 Prozent erhalten die Grünen und 4 Prozent der Stimmen gehen an die FDP. Die AfD geht mit 0 Prozent leer aus.
Auffällig: 12 Prozent der Deutschtürken in Nordrhein-Westfalen haben der nur in diesem Bundesland angetretenen Partei „Allianz Deutscher Demokraten“ (ADD) ihre Stimme gegeben. Die Partei richtet sich vornehmlich an Migranten und steht dem Erdogan- und AKP-Umfeld angeblich nahe.
Ablehnung des Verfassungsreferendums
Die Studie hat nicht nur die vergangene Bundestagswahl unter die Lupe genommen. Deutschtürken mit doppelter Staatsbürgerschaft wurden beispielsweise auch nach ihrem Abstimmungsverhalten bei der umstrittenen Verfassungsreform 2017 in der Türkei befragt. 22 Prozent von ihnen geben an, für die Reform gestimmt zu haben. 78 Prozent lehnten sie hingegen ab. Eine weitere Frage der Wissenschaftler betraf die Europäische Union: 34 Prozent der Befragten befürworten eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU. 66 Prozent sind dagegen.
Der Gruppe der Russlanddeutschen wurde hingegen die Frage gestellt, wie sie sich zur Krim-Annexion positioniert. Insgesamt begrüßen 60 Prozent der Studienteilnehmer den Schritt. Bei einem genaueren Blick ergibt sich jedoch ein differenzierteres Bild. Unter den Menschen, die ihre Wurzeln in Russland haben, beträgt die Zustimmung 71 Prozent. Hingegen lehnen 70 Prozent der Menschen, die aus der Ukraine stammen, die Annexion ab.