Inland

Beherbergungsverbot: Hin und her zwischen Politik und Gerichten

Immer mehr Gerichte und Landesregierungen entscheiden sich gegen Übernachtungsverbote für Reisende aus deutschen Risikogebieten. Die verschiedenen Urteil sind allerdings nur Momentaufnahmen der Corona-Regeln.
von Christian Rath · 17. Oktober 2020

Der Wind hat sich gedreht. Zu Beginn der vergangenen Woche gab es in den meisten Bundesländer noch Beherbungsverbote. Doch am Mittwoch gelang bei einem Treffen der Ministerpräsident*innen keine Einigung, das Thema wurde vertagt. Inzwischen sind die Länder mit Beherbergungsverboten in der Minderzahl.

Die Verbote zielen auf Hotels und andere Orte der entgeltlichen Übernachtung wie Ferienwohnungen und Campingplätze. Verboten ist jeweils die Beherbergung von Gästen aus Städten und Landkreisen, in denen die Zahl der binnen sieben Tagen neu Infizierten über dem Schwellenwert von 50 pro 100.000 Einwohner*innen liegt. Ausnahmen gibt es bei Vorlage eines aktuellen Attests, dass man nicht mit Covid-19 infiziert ist.

Am Donnerstag kippten der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die jeweiligen Regelungen in Baden-Württemberg und Niedersachsen, während das OVG Schleswig die Verordnung in Schleswig-Holstein aufrecht erhielt.

„Flickenteppich“: Gesetze als Grundlage

Die Landesregierungen im Saarland, in Sachsen, Hessen, Bayern, Brandenburg sowie Mecklenburg-Vorpommern haben inzwischen auf ihre Beherbergungsverbote verzichtet, teilweise unter dem Eindruck der Gerichtsurteile. Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt halten allerdings noch an den Regelungen fest.

Es ist nicht das erste Mal seit Beginn der Pandemie, dass es einen Flickenteppich unterschiedlicher Länderregelungen gibt. Der Grund ist immer der selbe. Für die Corona-Bekämpfung sind vor allem die Länder zuständig. Ihre Befugnisse stammen zwar aus einem Bundesgesetz, dem Infektionsschutzgesetz, doch über die "notwendigen Schutzmaßnahmen" entscheiden in der Regel die Landesregierungen per Rechtsverordnung. Bund-Länder-Konferenzen wie am Mittwoch dienen nur der Koordination, können aber keine verbindlichen Beschlüsse fassen.

Weil die Länder die Regeln machen, sind vor allem auch Landesgerichte für die Kontrolle zuständig. OVGs und VGHe können in den meisten Ländern sogar ganze Verordnungen für nichtig erklären. Wegen der vagen gesetzlichen Vorgaben ist der entscheidnde Prüfungsmaßstab in der Regel das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Nutzen und Schaden der staatlichen Maßnahmen werde dabei abgewogen. Auch hier können unterschiedliche Lagen, aber auch unterschiedliche Prioriäten der Richter*innen schnell zu unterschiedlichen Regelungen führen.

Auch die Gerichte wägen unterschiedlich ab

So sah der VGH Mannheim in Hotels kein erhöhtes Infektionsrisiko, weil man dort meist unter sich bleibe. Die eigentlichen Treiber seien Feiern in größeren Gruppen. Für Gäste aus Risikogebieten sei es zudem nicht zumutbar, sich jeweils ein Attest ihrer Unbedenklichkeit zu besorgen, weil dies angesichts begrenzter Testkapazitäten oft zu lange dauere. Das OVG Lüneburg argumentierte ähnlich.

Das OVG Schleswig sah den Ausgang des Verfahrens dagegen als offen an und entschied sein Eilverfahren deshalb anhand einer Folgenabwägung. Ohne Beherbergungsverbot könnten viele Menschen aus Risikogebieten nach Schleswig-Holstein reisen, die sonst nicht kommen würden, so die Richter. Das sei angesichts der stark steigenden Infektionszahlen eine Gefahr für das Gesundheitswesen.

Aber alle Gerichtsurteile sind derzeit nur Momentaufnahmen. Je nach Entwicklung der Pandemie, Verhalten der Bevölkerung und Dauer der Maßnahmen können die Wertungen der Richter*innen nächste Woche oder nächsten Monat schon wieder anders aussehen. Man sollte diese Flexibilität, sich an wechselnde Lagen anzupassen, jedoch nicht als Nachteil, sondern als Vorteil des Verhältnismäßigkeitsprinzips sehen.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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