Inland

Barley und Bullmann: Was das Europa-Spitzen-Duo der SPD antreibt

Die SPD zieht mit Katarina Barley und Udo Bullmann als Spitzen-Duo in den Europawahlkampf. Sie lebt Europa schon in der Familie, er bringt jahrzehntelange Erfahrung aus Brüssel mit. Was treibt Barley und Bullmann an? Ein Doppelporträt
von Karin Nink · 9. Dezember 2018
Zwei für Europa: Katarina Barley und Udo Bullmann gratulieren einander zu ihrer Wahl bei der Europadelegiertenkonferenz der SPD.
Zwei für Europa: Katarina Barley und Udo Bullmann gratulieren einander zu ihrer Wahl bei der Europadelegiertenkonferenz der SPD.

Katarina Barley muss Europa nicht denken, sie lebt es. Die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl im kommenden Mai ist Deutsch-Britin, ihre Kinder haben deutsche, spanische, niederländische und britische Großeltern. Ihr Lebensgefährte ist Niederländer. „In einer solchen Konstellation gehört die Brexit-Diskussion natürlich an den Küchentisch“, lächelt sie.

Katarina Barley: auch privat ein europäischer Mensch

Dennoch war Barleys Kandidatur für das Europäische Parlament nicht selbstverständlich. Schließlich hatte sie doch gerade in der Bundespolitik die nächste Sprosse auf einer recht steilen Karriereleiter genommen: Seit 2013 im Bundestag wurde die zur Parlamentarischen Linken gehörende Politikerin in weniger als drei Jahren SPD-Generalsekretärin, Bundesfamilienministerin, kurzzeitig parallel dazu Bundesarbeitsministerin und schließlich Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz.

Ihre Entscheidung, doch nach Europa zu gehen, hat letztlich drei Gründe: „Ich will meinen Teil dazu beitragen, dass es mit der SPD wieder aufwärtsgeht“, sagt sie. „Denn die gegenwärtigen Umfragewerte spiegeln weder das wider, was wir sind, noch das, was wir tun und was wir können.“ Der andere Grund ist die zentrale Bedeutung, die die bevorstehende Wahl zum Europäischen Parlament für den Kontinent haben wird: „Wir stehen vor der Frage, wie wir künftig in Europa zusammenleben wollen. Bemühen wir uns gemeinsam um Lösungen, die für alle gut sind oder lassen wir es zu, dass in Europa nationale Egoismen überwiegen und jeder nur noch für sein Land ‚first‘ ruft?“ Nicht zuletzt sei sie ja „auch privat ein europäischer Mensch“!

Das ideale Europa

Barley irritiert es nicht, dass sie nach dem 26. Mai möglicherweise nur einfache Abgeordnete im Europa-Parlament sein wird: „Ich habe hohen Respekt vor dem Mandat als Abgeordnete. Das ist in der Demokratie etwas sehr Kostbares.“ Die große politische Karriere sei nicht ihr Plan gewesen, als sie 2013 in den Bundestag gewählt worden sei, betont sie. Sie habe einfach „eine gute Abgeordnete“ sein wollen.

Wenn die 50-Jährige ihr Bild von Europa beschreiben sollte, sähe das so aus: „Mein Ideal-Europa ist vor allem friedlich. In diesem Europa sind die Menschen neugierig aufeinander. Sie haben Freude daran, Unterschiede zu entdecken und gleichzeitig das Verbindende in den Vordergrund zu stellen.“ Ihr Ideal-Europa trage dazu bei, dass es allen Menschen in ihrem Land besser gehe als zuvor.

Der Rechtsstaat liegt ihr am Herzen

Die promovierte Europarechtlerin will als Bundesjustizministerin weiterarbeiten bis zur Wahl. So kann sie das eine oder andere Gesetz noch in Kraft treten lassen. Vor allem aber – und das liegt ihr besonders am Herzen – die Stärkung des Rechtsstaates vorantreiben, gerade weil es eine tiefe Respektkrise gegenüber dem Staat und gegenüber Europa gibt.

Im Justizministerium hat sie deswegen einen „Pakt für den Rechtsstaat“ angeschoben. Diese Aufgabe wird sie in Berlin nicht mehr zu Ende führen können, aber sie kann sie in Brüssel und Straßburg fortsetzen. Denn „auf europäischer Ebene sieht man noch viel stärker, was wir bewahren und wo wir gegenhalten müssen“, so Barley. Eine der wichtigsten Fragen in Europa derzeit sei doch: „Was verstehen wir unter Rechtsstaat? Und haben die Regierungen in Polen und Ungarn dasselbe Verständnis vom Rechtsstaat  wie wir in Deutschland?“ Barley wird in Europa darauf eine klare Antwort geben – und für die Rechtsstaatlichkeit in und für Europa kämpfen.

Udo Bullmann: Der Antreiber

Eine bessere Europäische Union für die Menschen zu schaffen – das ist das Ziel von Udo Bullmann. Er ist derzeit Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament und setzt seit langem starke Akzente in Brüssel und Straßburg.

„Ich bin kein Strippenzieher, sondern Straßenfußballer“, sagt Udo Bullmann und lacht. Um Prestige gehe es ihm nicht, um politische Ränkespiele erst recht nicht. Der 62-jährige Hesse sieht sich als jemanden, der zupackt, am besten mit anderen zusammen. Wie er die bürokratische Schwere der EU aushält? „Man muss antreiben, antreiben, antreiben. Damit sich die Verhältnisse ändern.“ Vom Politbetrieb entspannt er am liebsten, wenn er mit seinem jüngsten Sohn auf dem Bolzplatz kickt.

Die ur-sozialdemokratische Grunderzählung

Bullmann ist Politikwissenschaftler, hat Ökonomie studiert, an Universitäten in Deutschland und Schottland gearbeitet. Schon lange vor seinem 20. Geburtstag engagierte er sich bei den Jusos. Die nächste Europawahl sei eine „Schicksalswahl“, so Bullmann. „Wir haben mehr denn je Bedarf an europäischen Lösungen, weil Nationalstaaten allein nicht mehr in der Lage sind, Antworten auf die großen Zukunftsfragen zu geben.“

Dazu zählt er „die Globalisierung und die großen Wanderungsbewegungen, Nord-Südkonflikte um Ressourcen, Klimawandel, aber auch die Frage, wie wir eine gute Gesellschaft bauen“. Das ist für ihn die ur-sozialdemokratische Grunderzählung. „Alle anderen Parteien sind da halbherziger – oder sie plappern schon Parolen der rechten Populisten nach.“

Europas Feinde von innen und außen

Heute habe die europäische Idee Feinde: „Trump und Putin bezeichnen Europa als Gegner: der eine, weil er staatsautoritär ist, der andere, weil er kein Interesse an sozialem Ausgleich hat, an der Beteiligung derjenigen, die jeden Tag hart arbeiten.“ Europa habe auch innere Feinde: Orbán, zum Beispiel. „Diese Angriffe von allen Seiten müssen wir abwehren.“ Deshalb will er nun „die Sozialdemokratie in Europa so stark machen, wie es irgendwie geht“.

Den Brexit hält Udo Bullmann für einen Fehler, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik für unabdingbar. Die EU habe Italien mit der Flüchtlingsfrage zu lange alleingelassen, aber die Häfen dichtzumachen, sei eben auch keine Lösung. Stattdessen müssten die Mitgliedstaaten endlich den Weg ebnen für eine faire, solidarische Flüchtlingspolitik. Und: „Die Partnerschaft mit Afrika auszubauen, ist eine Überlebensfrage für beide Kontinente.“

Das „Lebensgefühl Europa“

Die wichtigsten Schwerpunkte von Bullmanns Arbeit im Europaparlament waren bisher der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, für mehr Investitionen, die Korrektur der Fehlentwicklung auf den Finanzmärkten, die „Kappung der exorbitanten Bankerboni.“

Jetzt müsse der Fortschritt bei den Menschen ankommen – damit das bewahrt und weiterentwickelt werden könne, was Bullmann an Europa liebt: Freiheit, Demokratie und eine Gesellschaft der Solidarität. Aber vor allem das, was er das „Lebensgefühl Europa“ nennt. Was das ist? „Unsere Vielfalt, unsere Offenheit, unsere Lebensfreude. Das macht uns heute aus. Wir sind Europäerinnen und Europäer geworden, das darf uns niemand mehr nehmen.“ 

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Karin Nink

ist Chefredakteurin des "vorwärts" und der DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik sowie Geschäftsführerin des Berliner vorwärts-Verlags.

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