Barcamp Frauen: Warum es kein „nach Köln” gibt
„Für uns gibt es kein ‚nach Köln‘”, sagt Diana Henniges von der Berliner Flüchtlingsinitiative „Moabit hilft“. Die Debatte in Deutschland drehe sich vor allem um geflüchtete junge Männer – nicht erst seit den Ereignissen in der Kölner Silvesternacht. Zu selten würden Frauen auf der Flucht zum Thema gemacht, findet Henniges. Seit der Einschränkung des Familiennachzugs im deutschen Asylrecht machten sich viele Frauen auf den gefährlichen Weg nach Europa. In den Lagern an der griechisch-mazedonischen Grenze sei der Anteil von geflüchteten Frauen und Kindern auf 60 Prozent angestiegen.
EU-Grenzen: „rechtsfreier Raum”
Um so wichtiger sei es, über die Bedürfnisse geflüchteter Frauen zu reden. Für Christiana Beckmann, die ihren Job an den Nagel gehängt hat, um hauptamtlich in der Berliner Flüchtlingshilfe zu arbeiten, herrscht an den Außengrenzen der europäischen Union ein „rechtsfreier Raum” – vor allem für Frauen. Auf den Schlepperrouten komme es immer wieder zu Vergewaltigungen, auch Grenzssoldaten seien an Übergriffen beteiligt: Für den Grenzübertritt verlangten manche „sexuelle Dienstleistungen” von geflüchteten Frauen.
Innerhalb der EU sei die Lage geflohener Frauen oft „desolat”, beklagen die Aktivistinnen von „Moabit hilft”. In den Aufnahmelagern der sogenannten sicheren Drittstaaten gebe es keine abgegrenzten Räume für Frauen. Die Unterbringung in Deutschland sei „Aufbewahrungspolitik”, sagt Henniges. Die vom Staat zugestandene „medizinische Minimalversorgung” während des Asylverfahrens gehe an den Bedürfnissen schutzsuchender Frauen vorbei.
Frauen bleiben „unsichtbar”
„Frauen in den Mittelpunkt zu rücken“, fordert Charlotte Hitzfelder vom „Konzeptwerk Neue Ökonomie“ in ihrem Vortrag über feministische Wirtschaftsforschung. Das Ziel „feministischer Ökonomie“ sei, „Blindflecken“ in der Arbeitswelt aufzudecken. Der Beitrag der Männer zur Wirtschaftsleistung werde öffentlich honoriert. Aber: „Wer verrichtet die unsichtbare Arbeit?“ fragt die Politologin. Die Antwort: Die unbezahlte Arbeit, das Häusliche und „Reproduktive“, sei meist Aufgabe der Frauen. Diese investierten ihre Kraft in Kindererziehung und die Pflege sozialer Beziehungen – als Beitrag zur Volkswirtschaft würden diese Arbeiten jedoch nicht anerkannt. Gute Bezahlung und Prestige sei nach wie vor hauptsächlich Männern vorbehalten. Es gelte daher, Frauenrechte zu stärken sowie Arbeitsverhältnisse insgesamt zu hinterfragen.
Auch in der Politik gebe es Nachholbedarf, sagt Anna Jäger von der „Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft“ aus Berlin. Während immer wieder über feste Quoten für Unternehmen diskutiert werde, setzten die Parteien ausschließlich auf „Selbstverpflichtung”. Als Folge seien Frauen vor allem in der Kommunalpolitik unterrepräsentiert: Nur jeder zehnte Bürgermeisterposten sei mit einer Frau besetzt, lediglich 25 Prozent der Stadt- und Gemeinderäte seien weiblich, rechnet Jäger vor. Feste Vorgaben für die Parteien, Wahllisten paritätisch zu besetzen, könnten daran „schnell und effektiv“ etwas ändern. Mentoringprogramme für Kommunalpolitikerinnen seien ein weiteres Instrument, um den Frauenanteil in den Kreistagen zu steigern.
„Update“ für die SPD
Vielleicht kann auch die SPD von den Inhalten des „Barcamp Frauen“ profitieren. Die Idee zu der Konferenz war eine Reaktion auf die Schlappe der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl 2009. Besonders bei jungen Frauen habe die Partei damals schlecht abgeschnitten, sagt Jennifer Mansey. Zusammen mit ihren Kolleginnen Nancy Böhning und Elisa Gutsche rief die Sozialdemokratin darauf das „Barcamp“ ins Leben, um der „Geschlechterpolitik ihrer Partei ein Update“ zu geben. Beim SPD-Bundesparteitag 2013 erhielten die Frauen dafür den Wilhelm-Dröscher-Preis, die Veranstaltung wird von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert und vom DGB unterstützt.
ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.