Inland

Barbara Hendricks und „Das Ende der Natur“: Wie die Agrar-Lobby die Umwelt zerstört

Am Artensterben in Deutschland ist die Landwirtschaft schuld, sagte die Journalistin Susanne Dohrn auf der „vorwärts“-Bühne der Frankfurter Buchmesse. SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks schlug eine Lösung für das Problem vor – doch hat die eine Chance?
von Paul Starzmann · 14. Oktober 2017
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Wiesenfuchs, Kuckucks-Lichtnelke, Trauerseeschwalbe – wer am Samstagvormittag auf der Frankfurter Buchmesse vor der „vorwärts“-Bühne stehen blieb, bekam viele biologische Fachausdrücke zu hören. Für die Messebesucher war das sicher eine Überraschung. Ist die SPD-Zeitung ja eigentlich nicht für Wald- und Wiesenthemen bekannt. Doch an diesem Wochenende war das ausnahmsweise anders: Da stand für eine gute halbe Stunde die Natur im Mittelpunkt. Es ging um Artensterben und Umweltzerstörung – und um all jene, die dafür verantwortlich sind.

„Das stille Sterben vor unserer Haustür“

Auf dem Podium saßen SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und die Journalistin Susanne Dohrn, die gerade das Buch „Das Ende der Natur“ veröffentlicht hat. Untertitel: „Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“. Es handelt vom Rückgang der natürlichen Vielfalt, dem Artensterben in Deutschland, das viele heimische Tiere und Pflanzen bedroht ­– vom Wiesenfuchs bis zur Kuckucks-Lichtnelke.

Wen sie für das „stille Sterben“ verantwortlich macht, das stellte Barbara Hendricks zu Beginn der Podiumsdiskussion klar: „Das liegt natürlich an der industrialisierten Landwirtschaft“, sagte sie. Die Agrarpolitik in Deutschland habe über Jahrzehnte den Umweltschutz fast völlig außer Acht gelassen. Der Grund: Bis auf eine Ausnahme sei das Landwirtschaftsressort seit jeher fest in der Hand von Union oder FDP. Und die hätten im Bund „immer nahtlos umgesetzt, was der Deutsche Bauernverband gefordert hat“.

Hendricks: Umweltschutz mit Union nicht möglich

Für Susanne Dohrn steht hinter der Umweltzerstörung der „ganz agrarindustrielle Komplex“ – vom Bauernverband über die Futtermittelhersteller bis hin zum Einzelhandel. Eines der Hauptprobleme sei die Monokultur auf den Feldern durch den massiven Einsatz von Pflanzenvernichtungsmitteln. „Die Landwirtschaft, so wie sie ist, macht die Biodiversität kaputt“, sagte die Journalistin.

Als Bundesumweltministerin habe sie in den vergangenen vier Jahren versucht, etwas daran zu ändern, erzählte Barbara Hendricks. Doch die Union habe in dieser Frage ständig blockiert. „Ich bin dem Streit aber nie aus dem Weg gegangen,“ betonte die SPD-Politikerin. So habe sich CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt stets gegen ihre Vorschläge gewehrt, der Bauernverband habe sowieso immer protestiert. Ihre Vorstöße hätten teilweise nicht nur „Shitstorms“, sondern ganze „Shit-Tornados“ ausgelöst. So groß sei in der vergangenen vier Jahren der Widerstand von Union und Agrar-Lobby gegen ihre Umweltpolitik gewesen, erinnerte sich Hendricks.

Landwirtschaft und Naturschutz in Einklang bringen

In Hendricks Augen muss das Problem des Artensterbens  deshalb auf europäischer Ebene angegangen werden. Ihr Vorschlag: Landwirtschaft und Umweltschutz nicht nur in Einklang miteinander zu bringen, sondern Bauern zu aktiven Naturschützern zu machen. Dafür müsse aber die Vergabe von EU-Agrarsubventionen neu geregelt werden: Nach Hendricks Plan sollen vor allem diejenigen Bauern finanziell unterstützt werden, die zumindest einen Teil ihrer Fläche nachhaltig bewirtschaften. Zum Beispiel durch regelmäßiges Pflügen statt dem Einsatz von Pflanzenvernichtungsmitteln oder dem Einrichten von „Blühstreifen“ neben ihren Weiden zum Erhalt der natürlichen Vielfalt auf den Wiesen. Auch wer ein trockengelegtes Moor wiederbewässere, müsse mehr Geld aus dem EU-Topf erhalten als Betriebe, die voll auf konventionelle – und damit umweltschädliche – Landwirtschaft setzten.

Ob solche Ideen in Zukunft eine Chance haben, das stellte die Journalistin Dohrn allerdings in Frage – und zeigte sich skeptisch mit Blick auf eine mögliche Jamaika-Koalition im Bund. Sicher, die Grünen seien zu einem Ausbau der naturfreundlichen Landwirtschaft, zu mehr „Bio“, natürlich bereit, sagte Dohrn – um dann jedoch hinterzuschieben: „Ich glaube aber nicht, dass CDU und CSU das mitmachen würden.“

Susanne Dohrn: Das Ende der Natur. Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür, Ch.Links 2017, ISBN 978-3-86153-960-5, 18 Euro

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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