Inland

Baden-Württemberg: Warum Migranten bei der SPD gut aufgehoben sind

Wenige Tage vor der Landtagswahl hat die SPD in Baden-Württemberg mit einer speziellen Veranstaltung in der deutsch-türkischen Community um Stimmen geworben. Integrationsministerin Bilkay Öney hob die Verdienste der SPD bei der Einwanderung hervor. Spitzenkandidat Nils Schmid sprach Türkisch.
von Uwe Roth · 4. März 2016
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Die SPD Baden-Württemberg hat eine starke deutsch-türkische Community, auf die sie sich im Wahlkampf verlassen kann. Das zeigte sich in der Veranstaltung SPD ve biz (SPD und wir) in Stuttgart kurz vor der Wahl am 13. März. Knapp 800 Menschen waren in die Liederhalle gekommen. Spitzenkandidat Nils Schmid und Ministerin Bilkay Öney zogen dort eine erfolgreiche Bilanz der fünfjährigen Integrationspolitik. Seit der Regierungsübernahme im Jahr 2011 gibt es im Land dafür ein eigenes Ministerium – das erste bundesweit.

Nils Schmid spricht Türkisch

Für den Wahlkampfauftritt in der heißen Phase wurde so gut wie keine Werbung gemacht. Trotzdem füllte sich der große Saal ohne Probleme. Die Beziehungen der Landes-SPD zu den türkischen Organisationen sind eng und werden gepflegt. Dafür steht nicht nur die Integrationsministerin Öney, sondern ebenso Finanz- und Wirtschaftsminister Schmid. Seine Frau Tülay hat türkische Wurzeln und ist enge Begleiterin seiner politischen Arbeit. Kontakte bestehen außerdem über die Gewerkschaften zu Betriebsräten mit Migrationshintergrund. Macit Karaahmetoğlu hat als Leiter der landesweiten Projektgruppe „SPD ve biz“ die Veranstaltung organisiert.

„Migranten sind in der SPD am besten aufgehoben“, betonte Landeschef Schmid, der in seine Wortbeiträge immer wieder Sätze auf Türkisch einbaute, für die er dann besonders großen Applaus bekam.

Ein Merkel-Berater wird SPD-Mitglied

Dass die SPD am Ende doch seine wahre politische Heimat ist, dachte sich auch Nejdet Niflioglu. Der 53-Jährige bekam auf dem Podium an diesem Abend vom Landesvorsitzenden persönlich das Parteibuch überreicht. Nejdet Niflioglu ist nicht irgendwer. Der Daimler-Manager gehörte zu den Gründungsmitgliedern und zum Vorstand des Deutsch-Türkischen Arbeitskreises in der CDU. In dieser Funktion hat er als langjähriges Parteimitglied die Kanzlerin beraten. „Ich habe mich schon sehr, sehr lange auf diesen Abend gefreut“, sagte der Träger des Bundesverdienstkreuzes, der im türkischen İzmir geboren ist.

„Ich hatte den Eindruck, in der CDU etwas bewegt zu haben“, schickte er dem Beweggrund für seinen Austritt aus dieser Partei voraus.  Er habe aber zu seiner Enttäuschung  festzustellen müssen, dass es „einen gewaltigen Rechtsruck in der CDU“ gegeben hat. „Wenn eine Partei nach rechts rutscht, muss man selbst einen Schritt nach links machen“, lautet seine Überzeugung.

Aufklärungsarbeit über den Islam am „Runden Tisch“

Ministerin Öney und das neue Parteimitglied sind alte Bekannte. Denn Niflioglu engagiert sich schon länger als Botschafter der Einbürgerungskampagne des Integrationsministeriums. Ein besonders wichtiger Arbeitskreis ist für Öney darüber hinaus der „Runde Tisch Islam“. „In der Zusammenarbeit mit den Verbänden ist viel erreicht worden“, betonte die Integrationsministerin. Im Land seien nun muslimische Bestattungsformen erlaubt, Feiertagsregelungen überarbeitet und die muslimische Seelsorge ins Leben gerufen worden. Auch heikle Themen könne sie an diesem Tisch besprechen: Rechte Kreise versuchten, Muslime gegen den Bildungsplan des von der SPD geführten Ministeriums zu instrumentalisieren. Am Runden Tisch Islam konnte sie Aufklärungsarbeit zu Themen wie Homosexualität leisten. Diese habe dazu geführt, dass sich die Teilnehmer von den konservativen Bildungsplangegnern distanzierten.

Vom politischen Gegner hat sich die Ministerin nach ihrer Amtsübernahme vor fünf Jahren viele Schmähungen anhören müssen. Mit Anträgen im Landtag, die ihre fachliche Eignung in Frage stellten, sei sie geradezu bombardiert worden. Der CDU-Fraktionsvorsitzende legte Öney kurz nach Amtsantritt den Rücktritt nah - sie sei in Baden-Württemberg überflüssig. Doch das von ihr geführte Ministerium hat sich unter den Ministerien etabliert und leistet jetzt auch bei der Integration der Flüchtlinge gute Arbeit. Das bezweifelt auch der politische Gegner nicht.

Deutsch-türkisches Partnerschaftsprojekt bekämpft Fluchtursachen

Von einem besonderen Projekt, wie die SPD Lösungen für Flüchtlinge sucht, berichtete Claus Schmiedel, Fraktionschef im Landtag. Die Stadt Aalen im Ostalbkreis, an deren Spitze SPD-Oberbürgermeister Thilo Rentschler steht, pflegt eine Partnerschaft mit Antakya in der Südtürkei. Dort leben viele Flüchtlingskinder aus Syrien. Für die wird nun eine Schule gebaut. Damit fällt für die Familien ein wichtiger Grund zur Flucht weg. 150.000 Euro kommen für den Bau aus Spenden und dem kommunalen Haushalt, Finanzminister Schmid hat aus seinem Haushalt denselben Betrag dazu gegeben. Schmiedel war mit einer Delegation vor Ort und hat andere deutsch-türkische Partnerstädte besucht, um eventuell weitere Schulprojekte anzustoßen.

Mit solchen Initiativen wird nicht nur den Menschen geholfen, sondern sie setzen auch Zeichen gegen AfD, Pegida und Co., ist Schmiedel überzeugt.

Autor*in
Uwe Roth

ist freier Journalist, unter anderem für die Stuttgarter Zeitung und die Deutsche Presseagentur. Er ist zudem Fachtexter für die Einfache Sprache/Plain Language.

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