Inland

Azubis4Future: Warum Fachkräfte von morgen mehr Nachhaltigkeit fordern

Sie kämpfen für bessere Ausbildungdbedingungen und mehr Nachhaltigkeit als Thema im Unterricht: die Azubis4Future möchten als künftige Fachkräfte jetzt schon die Zukunft verändern.
von Vera Rosigkeit · 20. Dezember 2022
Fordern bessere Ausbildungsbedingungen und mehr Zeit für Engagement: die Azubis4Future
Fordern bessere Ausbildungsbedingungen und mehr Zeit für Engagement: die Azubis4Future

Wenn er an den Unterricht in seiner Berufsschule zuzrückdenkt, war das Thema, das am meisten in die Zukunft gerichtet war, die Finanzierung der Rente, berichtet Niklas Schmucker, seit wenigen Monaten ausgebildeter Bürokaufmann. „Wenn wir aber die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, dann wird es noch ganz andere Probleme als die Zukunft der Rentenfinanzierung für uns geben“, fügt der 24-Jährige hinzu. Deshalb gehöre das Thema Nachhaltigkeit für ihn in den Berufsschulalltag, betont er und greift damit eine von mehreren Forderungen der Azubis4Future auf, einer Initiative, in der sich auch Schmucker engagiert und die sich vor rund drei Jahren aus der ForFuture-Bewegung heraus gegründet hat.

Nachhaltigkeit im Unterricht

Die Klimabewegung sei sehr akademisch geprägt, erklärt Schmucker. „Wir wollten eine eigene Azubi-Bewegung, weil wir diese Perspektive wichtig finden, auch um die nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft voranzubringen“, fügt er hinzu. Ganz „oldschool“ habe man damals für die Initiative geworben und in Berufsschulen plakatiert: So sei auch er auf die Azubis4Future aufmerksam geworden.

Die Gruppe von Azubis aus vielen Ausbildungsberufen setzt sich für die Nachhaltigkeits- und Klimainteressen von Auszubildenden gegenüber Akteur*innen aus Politik und Wirtschaft ein. Als zukünftige Fachkräfte engagieren sie sich für die Stärkung der Berufsausbildung im Kampf gegen die Klimakrise. „Als Fachkräfte von morgen brauchen wir bessere Ausbildungsbedingungen“, sagt Schmucker. Bei Berufsschullehrer*innen sei dies schon angekommen. „In meiner Ausbildung im Büromanagement wurde schon ein Fokus daraufgelegt, Einsparungen beim Ressourcenverbrauch vorzunehmen, z.B. beim Papier“, erzählt er. Auch habe seine Berufsschullehrerin versucht einen Anstoß zu geben, auf Energieverbrauch und Mülltrennung zu achten. Diese Debatte müsse institutionalisiert werden. Die Azubis4Future wollen das Thema Nachhaltigkeit als Querschnittsthema in den Rahmenlehrplänen aller Ausbildungsberufe stärken.

Aufwertung von Berufsausbildungen

Um die Klimakrise abzuwenden, dafür müssten aber auch die Ausbildungsbedingungen grundlegend verbessert werden, weiß Schmucker. Vor allem jene Berufsbilder, die als system- oder klimarelevant gelten, müssen deutlich attraktiver werden, damit sich mehr junge Menschen dafür begeistern. Die Azubis fordern eine Aufwertung der Ausbildung und damit verbunden eine Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung des jeweiligen Ausbildungsjahres. Damit lehnen sie sich an die Forderung des DGB an, mit dessen Jugendorganisation sie gut vernetzt sind.

Und auch der Forderung nach einer umlagefinanzierten Ausbildungsgarantie schließen sie sich an. Sie bedeutet, dass alle Unternehmen und Betriebe in eine Art Zukunftsfonds einzahlen, aus dem dann diejenigen Betriebe unterstützt werden, die mehr ausbilden und auch außerbetriebliche Ausbildungszentren gestärkt werden. „Jeder junge Mensch, der eine Ausbildung beginnen will, jedoch keinen passenden Ausbildungsbetrieb finden kann, soll die Möglichkeit erhalten, seine Wunschausbildung erst einmal vom Staat finanziert vollschulisch aufnehmen zu können“, heißt es in ihrem Forderungskatalog. Schmucker ergänzt, dass eine gute Ausbildung der Schlüssel zur Bewältigung der Klimakrise sei, weil es Fachkräfte für die Transformation der Wirtschaft brauche.

Freistellung für Engagement

Neben mehr Wertschätzung für die schulische und duale Berufsausbildung fordern die Azubis aber auch mehr Zeit. Von der Jugend werde immer erwartet, dass sie sich mehr engagiere, sagt Schmucker. Doch Auszubildende seien in erster Linie damit beschäftigt, über die Runden zu kommen, weiß er aus eigener Erfahrung. Zwar habe sein Chef Verständnis für sein Engagement gehabt, einen Anspruch auf Freistellung, um beispielsweise ihre Perspektiven in Gremien einzubringen oder sich an Programmen von Ministerien zu beteiligen, haben Auszubildende aber nicht. „Wir finden, dass ehrenamtliches Engagement als Motor für Zivilgesellschaft besondere Unterstützung benötigt. Daher fordern wir die Freistellung von Azubis für ihre Mitwirkung an demokratischen Prozessen, wie es für die Bekleidung eines Ehrenamtes teilweise schon möglich ist“, erklären die Azubis.

Schon jetzt gibt es viel vorzubereiten, denn die Azubis sind inzwischen begehrte Diskussionpartner*innen in Zukunftsdialogen, z.B. bei Veranstaltungen der Industrie- und Handelskammer oder des Instituts für Berufsbildung: Auch auf einer Festveranstaltung des DGB zum 70. Jahrestag des Betriebsverfassungsgesetzes im November waren sie mit Lucie Wähler vertreten. Die Gartenlandschaftsbauerin im zweiten Lehrjahr griff einen Vorschlag von DGB-Chefin Yasmin Fahimi auf: die Forderung nach einer „Demokratiezeit“. Danach sollen Beschäftigte eine Stunde in der Woche freigestellt sein, um sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen über betriebliche und gesellschaftliche Themen auszutauschen.

Mehr Mitstreiter*innen willkommen

Fehlende Zeit sei aktuell auch ein Grund dafür, „dass es uns schwerfällt, mehr Mitstreiter*innen für unsere Sache zu gewinnen“, vermutet Schmucker. Dabei gebe es alle zwei Wochen am Dienstagabend ein sogenanntes „onboarding“ für alle, die Interesse haben, mitzuwirken und etwas in ihrer Ausbildung zu bewegen. Da eine Ausbildung in der Regel drei Jahre dauert, seien auch Mitstreiter*innen, die für bessere Bedingungen in der Ausbildung sind, willkommen. Schmucker selbst wird noch länger in Ausbildung bleiben. Er hat sich im Anschluss an seine Ausbildung für die Aufnahme eines Studiums entschieden.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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