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Aussage Zschäpes im NSU-Prozess sorgt für Empörung

Mit großer Spannung war die Aussage von Beate Zschäpe erwartet worden, umso schwerer war die Enttäuschung im Nachhinein. Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess gab sich unschuldig, wies jede Verantwortung von sich. Die Angehörigen der Opfer sind empört.
von Andreas Speit · 9. Dezember 2015
Beate Zschäpe
Beate Zschäpe

Saal A 101, Oberlandesgericht München: Mit schnellem Schritt betritt die Hauptbeschuldigte im NSU-Verfahren, Beate Zschäpe, den Saal, dreht sich nicht von den Kameras weg, lässt sich geduldig ablichten. Schon da ist klar: Der 249. Verhandlungstag des NSU-Prozesses wird ein besonderen Tag werden. Nach zweieinhalb Jahren will Zschäpe ihr Schweigen brechen, jedoch ohne selbst dabei zu sprechen.

Zschäpe: „Ich entschuldige mich aufrichtig“

Um kurz vor 10 Uhr begann stattdessen Anwalt Mathias Grasel damit, eine Einlassung im Namen seiner Mandantin zu verlesen. Die wiederkehrende Aussage der 53-seitigen Einlassung Zschäpes: ihre „beide Uwes“, also Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, planten und verübten alle 10 dem NSU zur Last gelegten Morde, die Bombenschläge und auch die 15 Banküberfälle alleine. Zschäpe selbst fühle sich moralisch schuldig, nicht genug auf Mundlos und Böhnhardt eingewirkt zu haben: „Ich entschuldige mich aufrichtig bei den Opfern“, trug Grasel vor.

Eine Entschuldigung und Einlassung, die die anwesenden Angehörigen der Opfer zutiefst enttäuschte. Nach dem Verhandlungstag sagte Ismail Yozgat, Vater des ermordeten Halit Yozgat: „Sie lügt, sie tut so alle wäre sich nicht beteiligt gewesen und nichts gewusst hätte. Wir glauben ihr nicht. Nach dem ersten Mord, wo sie angeblich so erschüttert gewesen, hätte sie zur Polizei gehen müssen, sie hätte weitere neun Morde verhindern können.“ Gamze Kubasik, deren Vater dem NSU zum Opfer gefallen war, sagte: „Mit ihrer Erklärung versucht Frau Zschäpe, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Dieser Aussage glaube ich kein Wort.“ Die Entschuldigung Zschäpes nehme sie nicht an. Und auch der Sohn des NSU-Mordopfers Enver Simsek, Abdulkerim Simsek, kritisierte die Aussage der mutmaßlichen Rechtsterroristin scharf. „Diese Erklärung war so erbärmlich, einfach nur lächerlich. Ich bin total enttäuscht. Das ist in meinen Augen keinerlei Aufklärung und hat nichts gebracht.“ Auch er lehnte die Entschuldigung ab.

Zschäpe gibt sich arg- und ahnungslos

Bereits im Saal war der Unglaube und Unmut spürbar, je öfter Grasel Zschäpes Worte wiederholte, weder bei der Planung der Morde, Bombenanschläge und Überfälle involviert, noch an den Taten beteiligt gewesen zu sein. Ruhig und ohne Hetze versuchte Grasel mit Zschäpes Worten, die gesamte Anklage der Bundesanwaltschaft zu widerlegen. Keine der Annahme würde stimmen. Nur von den Banküberfällen hätte sie gewusst, allerdings nicht im Detail. Dass sie davon im 13-jährigen Untergrundleben profitierte, räumte die 40-Jährige jedoch ein.

Überhaupt erweckte die Einlassung Zschäpes den Eindruck, der Anschluss an die rechtsextreme Szene hätte eher erlebnishungrige Motive gehabt. Nationale Lieder grölen, Aufmärsche und Sonnenwendfeiern besuchen, bei ihr klang das alles unpolitisch. Zwar wollten ihre „Uwes“ mit den Bombenattrappen vor ihre Abtauchen 1998 ein politisches Zeichen setzen, zeigen, dass die Rechte aktiv ist, in der „Kameradschaft Jena“ will Zschäpe jedoch kein zahlendes Mitglied gewesen sein. Verantwortung übernommen? Entscheidung selbst getroffen? Nein, dieses Bild von sich wollte sie nicht stehen lassen.

Ex-V-Mann schwer belastet

Erst mit Tino Brand, dem ehemaligen Anführer des „Thüringer Heimatschutzes“ und V-Mann des Landesamtes für Verfassungsschutz in Thüringen, wären die Aktivitäten gestiegen. Auch weil Geld da war, führte Grasel weiter aus. Keine Überraschung, dass Zschäpe Brandt bei seiner Aussage vor dem Münchner Oberlandesgericht angegangen war. Hatte er sie doch in der Verhandlung als „ideologisch gefestigt“ bezeichnet – „keine dumme Hausfrau“, die Anklage somit untermauert.

Ausgearbeitet hatte Zschäpe die Einlassung mit ihren neuen Wahlverteidigern, Hermann Borchert und Mathias Grasel. Ihre alten Rechtsbeistände, die Anwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm, hatten Zschäpe stets vor einer Aussage gewarnt. Sie waren der Meinung, eine taktische Aussage könne zum prozessualen Selbstmord führen. Zschäpe wiederum hatte schon im Jahr 2011 gegenüber der Polizei erklärt: „Ich habe mich nicht gestellt, um nicht auszusagen“. Die Einlassung vernahmen die drei größtenteils regungslos.

Der Verhandlungstag endete damit, dass Grasel und Borchert den Antrag stellten, Heer, Stahl und Sturm von ihrem Mandat zu entbinden. Sie würden ihrer Mandantin schaden, so die Begründung. Am Dienstag wird die Verhandlung fortgesetzt.

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