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Ausbildung: Die Corona-Krise droht den Fachkräftemangel zu verschärfen

Derzeit werden Ausbildungsverträge für das im Sommer beginnende Ausbildungdjahr geschlossen. Doch rund 713.000 Betriebe sind in Kurzarbeit. Wie der DGB einen weiteren Fachkräftemangel verhindern will, erklärt Matthias Anbuhl im Interview.
von Vera Rosigkeit · 28. April 2020
Der DGB befürchtet, dass die Anzahl der Ausbildungen in der Corona-Krise dramatisch sinken werden.
Der DGB befürchtet, dass die Anzahl der Ausbildungen in der Corona-Krise dramatisch sinken werden.

Der DGB fordert einen Schutzschirm für Auszubildende. Droht die Corona-Krise den Fachkräftemangel zu verschärfen?

Kurzarbeit; Insolvenzen und  Betriebsschließungen werden sich auch auf den Ausbildungsmarkt auswirken. Wir müssen damit rechnen, dass im kommenden Ausbildungsjahr ab Sommer 2020 die Anzahl neuer Ausbildungsverträge einbricht. Das könnte nicht nur den Fachkräftemangel verschärfen, sondern gleichzeitig würde eine ganze Ausbildungsgeneration ihrer Zukunftschancen beraubt. Deshalb müssen Bund, Länder, Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam gegensteuern.

Wie sieht aktuell die Situation von Azubis in Kurzarbeit aus, findet überhaupt noch Ausbildung statt?

Insgesamt bilden in Deutschland nur noch 430.000 Betriebe aus, das war schon vor der Corona-Krise so. Zudem haben wir aktuell 713.000 Unternehmen in Kurzarbeit. Grundsätzlich sind Ausbildungsbetriebe verpflichtet, sämtliche Mittel auszuschöpfen, um Ausbildung zu ermöglichen. Ausbildungspläne lassen sich umstellen, Azubis können in andere Abteilungen versetzt werden. Eine Möglichkeit liegt auch in der Verbundausbildung: Meldet ein Betrieb Kurzarbeit an, kann er Teile der Ausbildung an einen anderen Betrieb übertragen.

Gibt es Betriebe, in denen die Ausbildung komplett eingestellt wird?

Für Auszubildende in Betrieben, die zum Beispiel nach dem Infektionsschutzgesetz schließen mussten, sind nun die Kammern gefragt. Sie müssen versuchen, alternative Betriebe zu finden, die die Auszubildenden übernehmen, damit diese ihre Ausbildungen beenden können.

Hat das auch Konsequenzen auf die Ausbildungsvergütung?

Ein Betrieb, der Kurzarbeit anmeldet, muss den Azubis in den ersten sechs Wochen 100 Prozent der Ausbildungsvergütung zahlen. Dazu ist er laut Berufsausbildungsgesetz verpflichtet. Erst danach kann auf 60 Prozent der Netto-Ausbildungsvergütung gekürzt werden. Bei rund 700.- bis 800,- Euro brutto Vergütung im ersten Ausbildungsjahr kann das existenzbedrohend werden. Das Durchschnittsalter eines Azubis zu Ausbildungsbeginn liegt bei 20 Jahren. Wenn das Elternhaus das finanziell nicht auffangen kann, wird das ein Problem.

Die Ausbildungsverhältnisse enden in der Regel im Sommer. Können Abschlussprüfungen in diesem Jahr stattfinden?

Nach jetzigem Stand, wo auch Abiturprüfungen und abgespeckte Prüfungen in den mittleren Schulabschlüssen stattfinden, könnten die Prüfungen, so wie die Kammern das auch anstreben, im Juni und Juli nachgeholt werden. Damit könnten die Ausbildungen innerhalb des Ausbildungsjahres abgeschlossen werden. Das ist natürlich abhängig davon, wie sich die Infektionszahlen entwickeln werden. Sollte nach den derzeitigen Lockerungen eine zweite Infektionswelle drohen, wird es problematisch.

Wie sieht es mit dem kommenden Ausbildungsjahr aus. Wird es deutlich weniger Angebote geben?

Die Situation ist aktuell dramatisch, denn gerade jetzt ist die Zeit, in der die Ausbildungsverträge für das kommende Ausbildungsjahr beginnend im August oder September geschlossen werden. Ich befürchte, dass sich die Betriebe sehr zurückhalten und die Zahlen sinken werden. Da müssen wir jetzt zügig gegensteuern.

Der DGB hat Vorschläge für einen Schutzschirm für Ausbildung vorgelegt. Wie sehen die aus?

DGB-Chef Reiner Hoffmann und die Vize-Vorsitzende Elke Hannack haben den Wirtschaftsminister gebeten, ein Spitzentreffen der Allianz für Ausbildung einzuberufen. Die Antwort steht noch aus, der DGB hat aber bereits konkrete Vorschläge gemacht. Zum Beispiel einen Übernahmebonus einzuführen: Unternehmen, die Auszubildende aus insolventen Betrieben übernehmen, sollen danach finanziell bezuschusst werden. Für das neue Ausbildungsjahr brauchen wir zudem ergänzend außerbetriebliche Ausbildungsplätze, um genügend Ausbildung anbieten zu können. Und wir fordern einen bundesweiten Zukunftsfonds zur Fachkräftesicherung, wo Unternehmen einzahlen, aber auch Steuermittel einfließen, damit Ausbildung unterstützt und finanziert werden kann. Damit könnte zum Beispiel die Übernahme von Auszubildenden aus insolventen Betrieben bezahlt werden.

Sieht der DGB die Arbeitgeber beim Thema Ausbildung weiterhin in er Pflicht?

Nachdem die Unternehmen schon vor der Krise erklärt haben, dass der Fachkräftemangel das Problem Nummer eins sei, liegt Ausbildung auch jetzt in ihrem ureigenen Interesse. Denn sie werden nach der Krise schnell wieder Fachkräfte brauchen. Deshalb sehen wir Arbeitgeber auch weiterhin in der Pflicht.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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