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Ausbildung 4.0: Warum wir mehr in Berufsschulen investieren müssen

Die Arbeitswelt ändert sich rasant, Berufsausbildungen werden immer komplexer. Warum wir bessere Berufsschulen und gleiche Rechte für alle Ausbildungsberufe brauchen, erklärt Betriebsrat Ünsal Baṣer im Interview.
von Vera Rosigkeit · 17. Februar 2017
Ünsal Baṣer ist Mitglied des Betriebsrates der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH in Duisburg
Ünsal Baṣer ist Mitglied des Betriebsrates der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH in Duisburg

Wenn die Digitalisierung die Arbeitswelt immer schneller verändert, was bedeutet das für junge Menschen in der Ausbildung?

Das bedeutet, dass die Ausbildungsrahmenpläne immer voller werden. Wenn jemand in den 70er Jahren eine Berufsausbildung in der Industrie abgeschlossen hat, hat er viele Dinge noch nach der Ausbildung in Fort- und Weiterbildungen dazugelernt. Heute wird das alles in die Ausbildungszeit gepackt. Die Ausbildungen sind viel komplexer und vielseitiger geworden.

Und die Ausbildungszeit ist konstant geblieben?

Richtig. Bei vielen industriellen oder handwerklichen Berufen sind es dreieinhalb Jahre, bei den kaufmännischen sind es drei Jahre.

Diese Zeit scheint aber dringend notwendig?

Definitiv. Wir reden die ganze Zeit über frühkindliche Bildung und Kita-Ausbau, über G8 und G9. Das gleiche gilt auch für die Berufsausbildung. Wer etwas Anständiges lernen will,  braucht Zeit. In der Ausbildung ist es wichtig zu wissen, dass man nicht für ein Unternehmen ausgebildet wird, sondern für den Arbeitsmarkt. Die Idee dahinter ist ja, dass ich das, was ich einmal gelernt habe, überall einsetzen kann. Der Mechaniker kann in der Chemie- genauso wie in der Stahl- oder Automobilbranche arbeiten. Deshalb gibt es standardisierte Rahmenpläne.

Ist die Qualität der Berufsausbildung noch zeitgemäß?

Wir haben mit der Einführung des Berufsbildungsgesetzes Ende der 60er Jahre gute Standards gesetzt, die müssen weiterentwickelt werden. Da ist vor allem der Staat gefragt. Wir brauchen bessere Berufskollegs und Berufsschulen. Wir brauchen auch mehr Berufsschullehrer. Die technische Entwicklung ist so rasant, dass viele Lehrer auf der Strecke bleiben. Die Berufsschulen verfügen nicht über den technischen Standard, der notwendig wäre. Viele Auszubildende sind darauf angewiesen, dass der Arbeitgeber ihnen die Technik im Betrieb zur Verfügung stellt. Aber nicht jeder Arbeitgeber kann sich das leisten. Das ist nur in wenigen großen Unternehmen möglich.

Das heißt, der Staat muss mehr investieren?

Unbedingt. Nur so lässt sich der Fachkräftebedarf sichern. Im dualen System ist der Azubi ein bis zwei Tage die Woche in der Berufsschule. Und hier muss der Staat die Verantwortung für die Qualität der Ausbildung übernehmen. In den Betrieben schauen Betriebsräte und Jugendauszubildendenvertretungen auf die Qualität der Ausbildungen, das läuft.

Wird das auch Thema auf der SPD-Arbeitnehmerkonferenz in Bielefeld sein?

Da werden wir uns dafür stark machen, die Berufskollegs aufzuwerten und bestimmte Ausbildungsberufe, die nicht ins Berufsbildungsgesetz fallen, zu reformieren. Sigmar Gabriel hat ja gerne als Beispiel die  Krankenschwester genannt, weil Krankenpflege kein klassischer Ausbildungsberuf ist und damit nicht ins Berufsausbildungsgesetz fällt. Viele Pflegeberufe müssen aus der eigenen Tasche finanziert werden. Warum werden Mechaniker oder Elektriker anders behandelt als Krankenpfleger? Die einen pflegen Maschinen,  die anderen Menschen. Wer ist uns wichtiger? Anscheinend sind uns Maschinen wichtiger. Die Gewerkschaften fordern zurecht, dass jeder, der eine Ausbildung macht, die gleichen Rechte hat.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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