Inland

Aus einem Streit um die „Leitkultur“ entstanden diese 15 neuen Thesen

Von wegen „deutsche Leitkultur“: Ein Bündnis verschiedener Gruppen hat 15 Thesen für mehr Zusammenhalt und mehr Zusammenleben formuliert. Nach Angaben von Integrationsstaatsministerin Özoguz fehlt dem Einwanderungsland Deutschland ein Narrativ, auf das sich alle Bewohner beziehen können.
von Fabian Schweyher · 16. Mai 2017
Özoguz
Özoguz

Welche Werte sind für das Zusammenleben in Deutschland wichtig? Wie kann das Miteinander verschiedener Kulturen gelingen? Eine Antwort versuchen die 15 Grundsätze der „Initiative kulturelle Integration“ zu geben, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurden. Für die Formulierung der Thesen arbeiteten zahlreiche Gruppen zusammen: der Deutsche Kulturrat, Vertreter der Bundesregierung sowie 23 gesellschaftliche Organisationen aus Religion, Arbeitgebern, Gewerkschaften und Medien.

Grundsätze nicht nur für Flüchtlinge

Mit den Thesen soll aufgezeigt werden, wie mit kultureller Integration mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft entstehen kann. „Es geht nicht nur um die Integration der Flüchtlinge, sondern um den Zusammenhalt aller Menschen", sagte Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Die Thesen spiegelten einen breiten Konsens in der Gesellschaft wider und sollten gleichzeitig eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen.

Die Idee zu der Initiative geht auf einen Streit zwischen Zimmermann und Bundesinnenminister Thomas de Maizière zurück, die sich bei einem Flüchtlingsgipfel im Bundeskanzleramt im Frühjahr 2016 trafen. De Maizière habe damals eine „Leitkultur“ gefordert, was Zimmermann ablehnte. „Der Begriff ist politisch verbrannt.“ Aus dem Disput sei der Einfall entstanden, sich in einem größeren Rahmen damit zu befassen, was die Gesellschaft zusammenhält und welche Rolle kulturelle Integration spielt. Bei der Vorstellung am Dienstag war auch der Bundesinnenminister unter den Gästen.

Lücke für die Rechtspopulisten

Wie wichtig die Thesen seien, betonte die Staatsministerin für Integration und stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Aydan Özoguz. „Wir sind ein Einwanderungsland. Wir können auf eine lange Geschichte der Migration zurückblicken.“ Sie sei mit vielen Herausforderungen verbunden, aber auch mit noch mehr Erfolgen. Allerdings: „In unserem Land fehlt das Narrativ für eine Einwanderungsgesellschaft. Wir haben keine Erzählung darüber, die mehr Identität und Stolz auf eine vielfältige Heimat bei allen 82 Millionen Bürgerinnen und Bürgern schafft.“ In diese Lücke stießen die Rechtspopulisten mit ihrer Hetze. Deswegen kämen die 15 Sätze genau zur richtigen Zeit. Es sei gut, dass die Initiative mit ihren 15 Thesen nicht nur ein Zeichen setzt, sondern auch zur Diskussion einlädt. Dies sei sehr wichtig für eine offene, demokratische Gesellschaft.

Die 15 Thesen zu kultureller Integration und Zusammenhalt

These 1: Das Grundgesetz als Grundlage für das Zusammenleben der Menschen in Deutschland muss gelebt werden.

These 2: Das alltägliche Zusammenleben basiert auf kulturellen Gepflogenheiten.

These 3: Geschlechtergerechtigkeit ist ein Eckpfeiler unseres Zusammenlebens.

These 4: Religion gehört auch in den öffentlichen Raum.

These 5: Die Kunst ist frei.

These 6: Demokratische Debatten- und Streitkultur stärkt die Meinungsbildung in einer pluralistischen Gesellschaft.

These 7: Einwanderung und Integration gehören zu unserer Geschichte.

These 8: Die freiheitliche Demokratie verlangt Toleranz und Respekt.

These 9: Die parlamentarische Demokratie lebt durch Engagement.

These 10: Bürgerschaftliches Engagement ist gelebte Demokratie.

These 11: Bildung schafft den Zugang zur Gesellschaft.

These 12: Deutsche Sprache ist Schlüssel zur Teilhabe.

These 13: Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nie abgeschlossen.

These 14: Erwerbsarbeit ist wichtig für Teilhabe, Identifikation und sozialen Zusammenhalt.

These 15: Kulturelle Vielfalt ist eine Stärke.

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