augenzeuge.info dokumentiert Übergriffe auf Journalisten
Zu was Rechtsextreme fähig sind, hat Marcus Arndt bereits am eigenen Leib erfahren. Im vergangenen Frühjahr wurde der freie Journalist nach einer rechtsextremen Kundgebung in Dortmund mit Steinen beworfen und an Kopf und Oberkörper verletzt. Ein zufälliges Opfer war Arndt wohl nicht: Der Journalist hatte in den Wochen zuvor Morddrohungen aus der rechten Szene erhalten.
Anfang Dezember ist Arndt erneut ins Visier der Rechten geraten. Gemeinsam mit einer Kollegin berichtete er von einer Pegida-Kundgebung in Duisburg. „Wir als Journalisten standen mit unseren Kameras etwa zehn Meter von den Hundertschaften der Polizei entfernt und begannen im Hintergrund der Versammlungsteilnehmer mit unseren Aufzeichnungen. Es dauerte jedoch nicht lange, bis wir bemerkt wurden und die ersten Teilnehmer mit Sprüchen in unserer Richtung in Form von „Lügenpresse“ oder ‚Pinocchio-Presse’ begannen.“
Und es blieb nicht nur bei allgemeinen Verunglimpfungen. „Meine Kollegin war schon auf dem Weg nach Hause, als einer der Teilnehmer zu mir kam und meinte, dass Duisburg für mich eine Nummer zu groß sei und er mich ‚Presseschwuchtel’ beobachtet und abstechen wird, sobald er mich alleine später treffen wird.“
Übergriffe dokumentieren, für Gefahren sensibilisieren
Marcus Arndt beschreibt die Vorkommnisse im Blog „augenzeugen.info“, das am Mittwoch online gegangen ist. Dahinter steht der Deutsche Journalisten Verband. Dessen Vorsitzender Frank Überall hatte bereits im Dezember gesagt, er beobachte „eine zunehmende Neigung zu Gewalt gegen Journalisten“. Gewalttätige Übergriffe oder ihre Androhung sollen auf augenzeugen.info dokumentiert werden – und zwar von denen, die sie erleben, den Journalisten.
„Ich will dort Texte und Interviews zusammenstellen, die einen Blick darauf werfen, was in der Szene tatsächlich passiert“, sagt Überall. „Dies können Erfahrungsberichte sein, ein Interview mit einem Redaktionsleiter oder Beiträge von Wissenschaftlern, die sich um das Phänomen Rechtsextremismus kümmern.“ Der DJV will so für einen fairen Umgang mit Journalisten werben und Verantwortliche in der Politik für die zunehmende Gefahr, der Berichterstatter ausgesetzt sind, sensibilisieren.
Die Pressefreiheit verteidigen
Wie wichtig das ist, hat Frank Überall am vergangenen Wochenende selbst erfahren. Am Samstag beobachtete er die Pegida-Demonstration vor dem Kölner Hauptbahnhof, die erste nach den Übergriffen der Silvesternacht. „Journalisten werden körperlich angerempelt, angepöbelt, fotografiert“, schreibt Überall auf augenzeugen.info.
Später seien auch Bierflaschen und Böller geflogen. „Es ist kein schönes Gefühl, inmitten zahllos herum fliegender Flaschen, Steine und Böller zu stehen. Angegriffen zu werden, nur weil man seinen Job macht“, lautet Überalls Fazit. Und: „Die Pressefreiheit muss nicht nur im Schatten des Kölner Doms verteidigt werden – sondern auch in den vielen anderen deutschen Städten, in denen Extremisten Journalisten angreifen.“
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.