14 Jahre unentdeckt! 10 Morde! Raubzüge und Sprengstoffattentate! Das ist die erschreckende Bilanz des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Deshalb suchen die Bundestagsabgeordneten Dr. Eva Högl und Swen Schulz unter dem Motto „Rechtsterrorismus- Welche Konsequenzen zieht die Politik?“ den Bürgerdialog im Spandauer Kulturhaus in Berlin.
„Diese Mordserie ist ohne Beispiel“, „Alles gesprengt, was wir kannten“, „Ein Anschlag auf die Demokratie“, das sind die schockierenden Aussagen der SPD-Politikerin Dr. Eva Högl. Sie vertritt die SPD- Bundestagsfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss. Die Abgeordnete ringt sichtlich um Fassung. Den Zuhörern geht es ebenso. Högl betont, dass sie nicht vorschnell urteilen wolle und die Arbeit des Ausschusses bei weitem nicht am Ende sei, aber eins ist für sie bereits klar: „Die Ermittler waren auf dem rechten Auge blind!
Dönerbuden der bayerischen Polizei
Natürlich sei es in der Rückschau leicht, von „eklatantem Versagen“ zu sprechen, meint Högl. Trotzdem steht für die Abgeordnete fest, dass Polizei und Verfassungsschutz einseitig und fahrlässig ermittelten. „Die Ermittlungen richteten keinen Blick auf die rechtsextreme Kreise, und wenn dann nur unzureichend“, erklärt Högl.
Lieber verdächtigte man das Umfeld der Opfer und entwickelte erstaunlich Fantasie, um angebliche Schutzgelderpresser aus Migrantenkreisen zu enttarnen. So betrieb die bayerische Polizei zwei Dönerbuden. Ein Ermittlungserfolg blieb aus. Ganz abgesehen von der unverhältnismäßigen Gefährdung der Beamten. Selbst die Hinweise des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein, der eines der Nürnberger Opfer persönlich kannte, blieben ungehört. Auch einem Sprengstoffattentat in einem Kölner Stadtteil, der vorwiegend von Migranten bewohnt wird, wurde nicht entschieden genug nachgegangen, resümiert die Abgeordnete. „Ich kann immer noch nicht fassen, wie schlampig die Polizei gearbeitet har“, zeigt sich eine altere Dame aus dem Publikum fassungslos.
Kein Haken am Ende des Ausschusses
„Der Ausschuss versucht die Hintergründe der Taten zu klären und Vorschläge zu erarbeiten“, erklärt Högl, „aber gerade bei dieser sensiblen Thematik müsse die Arbeit immer weitergehen und die Strukturen von Polizei und Verfassungsschutz auf den Prüfstand gestellt werden.“
Bürgerliches Engagement müsse gefördert und unterstützt werden. In diesem Bereich hielten die Bundeskanzlerin und Ministerin Schröder oft Sonntagsreden, um dann am Montag Mittel für Bürgerengagement gegen Rechts und Politische Bildung zu streichen. „Da sehe ich großen Raum für Parteienstreit. Und die SPD hat andere Konzepte als die Union“, bilanziert die Abgeordnete.“ Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz sind in der Gesellschaft immer noch weit verbreitet. „Ich wohne und lebe seit 50 Jahren in Spandau und werde immer noch primär als Türkin gesehen“, stimmt ihr eine pensionierte Lehrerin aus Spandau über ihr alltägliches Leben.
Mehr demokratische Bildung
„Ich bin gerade mit dem Abitur fertig und finde es erschreckend, wie wenig einige meiner Mitschüler über das Dritte Reich wissen. Die Schule erreicht viele nicht mehr und vermittelt zu selten noch demokratische Grundwerte“, berichtet ein junger Mann. Swen Schulz nimmt den Faden auf: „Politische Bildung muss ausgebaut werden und immer weitergehen. Vielleicht kann man nicht alle erreichen, aber doch mehr als bisher!“Das Publikum im Saal in Spandau hat er und Eva Högl auf jeden Fall erreicht.