Inland

Atlas der Arbeit: Die Ungleichheit hat viele Gesichter

Moderne Sklaverei und andauernde Lohnunterschiede: Der Atlas der Arbeit bietet einen breiten Einblick in die verschiedenen Facetten der Arbeitswelt – in Deutschland und weltweit.
von Johanna Lehn · 7. Mai 2018
Lohnunterschied
Lohnunterschied

Wie viele Deutsche arbeiten in Teilzeit, wie hoch ist der Anteil von Müttern im Beruf, wo auf der Welt herrscht auch heute noch Sklaverei? Diese und weitere Fragen beantwortet der Atlas der Arbeit, den die Hans-Böckler-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund am Montag präsentiert haben.

Väter immer noch Familienernährer

„Die größten Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt bestehen zwischen Vätern und Müttern mit kleinen Kindern“, heißt es in dem Atlas. So arbeiten in Deutschland 83 Prozent der Väter und nur 60 Prozent der Mütter. In größeren Familien mit mindestens zwei kleinen Kindern gehen die Werte noch weiter auseinander: Nur noch 37 Prozent der Mütter sind erwerbstätig.

Nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den verschiedenen Branchen herrschen große Ungleichheiten. „So reichen die Bruttostundenverdienste von 9,63 Euro im Gastgewerbe am unteren Ende über 14,95 Euro im Handel, 21,05 Euro im verarbeitenden Gewerbe bis zu 27,80 Euro in der Energieversorgung“, konstatiert der Atlas der Arbeit.

Mehr Arbeit gegen den demografischen Wandel

Auch die Altersentwicklung der deutschen Bevölkerung ist ein Thema. „Die demografische Entwicklung muss zunächst einmal keine Angst machen“, schreiben die Herausgeber. Denn: „Die Produktivität nimmt weiter zu: Durch den Einsatz von Technik, Energie und Wissen können weniger Menschen mehr produzieren. Diese Entwicklung wird sich durch die Digitalisierung vieler Produktionsbereiche noch beschleunigen.“

Um die Produktivität weiter zu steigern, seien drei Maßnahmen nötig: Es müssten zunächst mehr Menschen in Deutschland am Arbeitsprozess beteiligt werden, die Arbeit müsste in der Weise gestaltet werden, dass Menschen auch im Alter noch arbeiten können – außerdem sei Zuwanderung unumgänglich. Die Autoren fordern ein Zuwanderungssystem zu schaffen, das es Menschen aus Drittstaaten ermöglicht, legal nach Deutschland zu kommen und hier zu arbeiten. Zwar verursache die Abwanderung talentierter Arbeitskräfte in den Herkunftsländern Probleme. Deutschland könne trotzdem verantwortungsbewusst handeln, indem es diesen Ländern bei der Ausbildung helfe, um dort mehr Fachkräfte zu schulen. So würden letztlich beide Seiten profitieren.

Frauen und Kinder in Sklaverei

Der Atlas der Arbeit zeigt aber auch: Nicht nur innerhalb Deutschlands bestehen große Lohnunterschiede. Besonders in der Textilindustrie unterscheidet sich der Lohn in reichen Industrieländern und in südlichen Produktionsländern erheblich: Der Monatslohn einer Näherin in Bangladesch beträgt umgerechnet 50 Euro. „Wenn eine Textilarbeiterin dort das Gleiche wie ihre deutsche Kollegin verdienen würde, wäre der Lohnanteil am Preis eines T-Shirts nicht 18 Cent, sondern 5,40 Euro“, heißt es in der Studie.

Besonders gravierend sind die Befunde zur Sklaverei. Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) waren 2016 schätzungsweise 40 Millionen Menschen Opfer von Sklaverei – die meisten davon im asiatischen Raum. Hauptsächlich Frauen und Kinder werden auch heute noch gewaltsam festgehalten und zumeist im Bergbau, der Landwirtschaft und dem Dienstleistungssektor zur Sklavenarbeit gezwungen. Besonders in Indien ist moderne Sklaverei weit verbreitet: „Jedes Jahr verschwinden dort Hunderttausende Kinder“ – trotz weltweiten Sklavereiverbots.

Autor*in
Johanna Lehn

studiert Politikwissenschaft und Soziologie und schreibt für den „vorwärts“.

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