Inland

Armutsrisiko: Sozialverbände und Mieterbund fordern Mietenstopp

Wohnungsmieten sollen für sechs Jahre eingefroren werden – und zwar bundesweit. Das fordert ein Bündnis aus Aktivist*innen, Sozialverbänden, Mieterbund und Gewerkschaften. Doch es soll Ausnahmen geben, um den Neubau von Wohnungen nicht zu bremsen.
von Carl-Friedrich Höck · 19. Februar 2021
Vor allem bei niedrigeren Einkommen sind steigende Mieten ein Armutsrisiko.
Vor allem bei niedrigeren Einkommen sind steigende Mieten ein Armutsrisiko.

In der kommenden Woche wird die Bundesregierung eine Bilanz ihrer „Wohnraumoffensive“ vorstellen. Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes (DMB) fällt sie unzureichend aus. „Die Mietentwicklung ist ungebremst“, sagt DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. „Wir haben weiterhin auch im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Mieterhöhung gehabt von drei Prozent im Bestand, in manchen Städten wesentlich mehr.“ In Berlin seien die Mieten im Zeitraum 2009 bis 2019 sogar um 100 Prozent gestiegen. Und die Zahl der Sozialwohnungen in Deutschland sei nicht gestiegen, sondern gesunken, weil jedes Jahr mehr Sozialwohnungen aus der Bindung fallen als neu geschaffen werden.

Der Mieterbund will die Bundespolitik nun zu einem radikaleren Vorgehen drängen. Dazu hat er sich mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund, dem Paritätischen Gesamtverband und zivilgesellschaftlichen Initiativen zusammengetan. Die gemeinsame Kampagne „Mietenstopp“ fordert ein generelles Mieterhöhungs-Verbot für sechs Jahre. Das Zeitfenster soll genutzt werden, um ausreichend bezahlbare Wohnungen für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zu schaffen. Von einer „Atempause“ spricht Florian Moritz vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).

Zwei Ausnahmen vom Mietenstopp sieht das Bündnis vor: Die Regelung soll nicht für Neubauten gelten, damit der Wohnungsbau nicht gebremst wird. Und sogenannten „fairen Vermieter*innen“ soll eine Mieterhöhung von zwei Prozent pro Jahr gewährt werden. Das würde Vermieter*innen betreffen, die bisher weniger als 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt haben – unabhängig davon, ob es sich um kommunale Unternehmen, Genossenschaften, Stiftungen oder privatwirtschaftliche Vermieter*innen handelt.

Brennpunkt Berlin: Mietendeckel in der Kritik

Zuletzt hatte in Berlin der Mietendeckel für Furore gesorgt, den die SPD „erfunden“ und gemeinsam mit Grünen und Linken eingeführt hat. CDU und FDP klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Mietendeckel, eine Entscheidung steht noch aus. In Bayern hat sich ein Volksbegehren für einen sechsjährigen Mietenstopp formiert (getragen von Mietervereinen, DGB, SPD und Linkspartei). Das Landesverfassungsgericht hat das Volksbegehren aber gestoppt, weil Bayern nicht zuständig sei.

Eine Regelung auf Bundesebene würde rechtliche Klarheit schaffen. Geht es nach dem Kampagnenbündnis, soll der Mietenstopp nicht nur für begrenzte Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt gelten. Siebenkotten verweist auf das Beispiel Aachen – die Stadt sei trotz starken Wohnungsdrucks aus der Mietpreisbremse rausgenommen worden.

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer beim Paritätischen Gesamtverband, verwies in einer Pressekonferenz am Freitag auf die sozialen Folgen der steigenden Mieten. Ärmere Haushalte müssten fast 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden. 20 Prozent der Haushalte, die von Hartz-IV-Bezug leben, müssten aus ihren ohnehin geringen Regelsätzen auch noch Geld für die Miete zuschießen, weil der Staat diese nur bis zu einer bestimmten Obergrenze übernimmt.

Paritätischer warnt vor Armut durch Umzug

„Es hat jeder das moralische Recht, dort wohnen bleiben zu können, wo er wohnt“, sagte Schneider. Daraus müsse man „ein justiziables Recht des Wohnverbleibs“ machen. Wenn eine alleinerziehende Frau einen Arbeitsplatz, Betreuung und helfende Nachbar*innen gefunden habe, ende ein erzwungener Umzug häufig in Armut. Ähnliches gelte für Pflegebedürftige oder chronisch kranke Menschen – auch die dürfe man nicht aus ihrem vertrauten Umfeld reißen, machte Schneider deutlich.

Die Mietenstopp-Kampagne habe „das simple Ziel, die ausufernde Mietpreisentwicklung zu stoppen“, betont Lorena Jonas von der Berliner Mieter*innen-Initiative „23 Häuser sagen Nein“. Tilman Schaich von der Münchener Initiative „#ausspekuliert“ sieht die Politik in der Verantwortung, wenn der Markt ein Problem nicht lösen könne. Die Mietpreisentwicklung verglich er mit der Corona-Pandemie: „Wenn die Zahlen sich erholt haben, kann man auch wieder über Lockerungen sprechen.“

Mit dem Pressegespräch am Freitag wurde die Kampagne „Mietenstopp!“ gestartet. Weitergehen soll es nun mit Aktionen wie digitalen Podiumsdiskussionen. Unterstützt wird die Kampagne auch von der Caritas und der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Weitere Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege werden sich vermutlich noch anschließen, hofft Ulrich Schneider. Für Mieterbund-Präsident Siebenkotten macht die Aktion deutlich, „wie wir alle, die wir aus unterschiedlichen Ecken kommen, am selben Strang ziehen.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei demo-online.

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Carl-Friedrich Höck

arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.

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