Inland

Armut lässt sich nicht beschönigen

von Sarah Schönewolf · 6. März 2013

Massive Kritik am neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung : Der Versuch der FDP die gewachsene Ungleichheit zu verschleiern, sorgt für breite Empörung. 

„Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt“ – Eine Aussage, die nicht nur der gefühlten Wirklichkeit der Bürgerinnen und Bürger, sondern auch den empirischen Fakten entspricht. Der 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, der am Mittwoch im Kabinett verabschiedet wurde, enthält dieses Geständnis nicht mehr. Stattdessen ließ FDP-Bundesminister Philipp Rösler unliebsame Passagen streichen oder diese durch gegenteilige Behauptungen ersetzen.

Über 500 Seiten umfasst der Report, der die Entwicklung der Lebenslagen in Deutschland zwischen 2007 bis 2011 beschreibt und dessen Inhalt so brisant ist, dass seine Verabschiedung, die ursprünglich für November letzten Jahres geplant war, schon mehrfach verschoben wurde.

Breite gesellschaftliche Kritik

DGB, Sozialverbände und die Opposition kritisieren die am Mittwoch verabschiedete, mehrfach geänderte Fassung stark, denn diese verschleiere die wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland.

„Die Spaltung der Gesellschaft schreitet voran“, konstatiert Ulrike Mascher. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK verweist auf Ergebnisse des Berichts, wonach die reichsten zehn Prozent der Haushalte über 53% Prozent des gesamten Nettovermögens verfügen, die untere Hälfte jedoch nur über ein Prozent.

Die Erkenntnis, dass diese wachsende Ungleichheit das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung verletzt, fehlt in der aktuellen Version ebenso wie die Aussage „Die Einkommensspreizung hat zugenommen“.

Auch der in der Ursprungsversion enthaltene Satz, wonach 2010 mehr als vier Millionen Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter 7 Euro arbeiteten, fiel der Zensur der Bundesregierung zum Opfer. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles bezeichnete den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung daher als „plumpe Fälschung“. Eine SPD-geführte Bundesregierung würde dieser gesellschaftlichen Ungleichheit mit einem flächendeckenden Mindestlohn und einer gerechten Steuerpolitik entgegentreten, versprach Nahles.

Weitere Ungleichheiten werden ausgespart

Auch weitere Ungleichheiten, wie die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen durch Beschäftigung im Niedriglohnsektor, klammere der Bericht aus, moniert Hannelore Buls vom Deutschen Frauenrat. „Der Bericht beschönigt in unerträglicher Weise die soziale Lage in diesem Lande; er ist ein Armutszeugnis“, urteilt sie.

 Nicht nur die „Verlierer“ der zunehmenden Ungleichheit kritisieren den beschönigten Bericht stark, auch die vermeintlichen „Gewinner“ protestieren: Die Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe spricht von einer Verzerrung der Daten und erklärt, dass die Bevölkerungsmehrheit von jeder Wohlstandsmehrung abgekoppelt sei. „Nur Reiche können sich einen armen Staat leisten“, lautet das Fazit der Initiative.

 

 

Autor*in
Sarah Schönewolf
Sarah Schönewolf

ist Diplom-Politologin und Redakteurin des vorwärts.

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