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Arbeiten 4.0: Warum wir ein Recht auf Weiterbildung brauchen

Regelmäßiges Lernen wird für Beschäftigte im digitalen Zeitalter immer wichtiger, denn Arbeitsprozesse ändern sich rasant. Aber Weiterbildung muss auch möglich und finanzierbar sein. Wie das geht, zeigt die Vereinbarung zur Bildungsteilzeit der IG Metall.
von Vera Rosigkeit · 26. April 2016

Die Arbeitswelt ändert sich rasant. „Der Wandel der Arbeitsprozesse und der Qualifikationsanforderungen wird künftig so weitgehend sein und schnell gehen, dass reine Erhaltungs- und Anpassungsqualifikationen nicht mehr ausreichen“, erklärt Conny Schönhardt, zuständig für Bildung und Qualifizierung im Fachbereich Tarifpolitik des IG Metall-Vorstands. „Auch qualifizierte Arbeiten sind im Wandel“, sagt sie.

Damit steigen die Anforderungen an die menschliche Arbeit. Das wissen auch die Beschäftigten in den Betrieben. 78 Prozent aller Befragten einer Betriebs- und Beschäftigtenumfrage sehen die Notwendigkeit, sich ständig weiterzuentwickeln. Die Frage war Teil einer Studie zur „Digitalisierung am Arbeitsplatz“, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2016 ­herausgegeben hat.

Arbeiten 4.0: Mehr Weiterbildung notwendig

In den Unternehmen, aber auch unter den Entscheidungsträgern der Politik herrscht Einigkeit darüber, dass die Vierte Indus­trielle Revolution eine Qualitätsoffensive braucht. „Weiterbildung ist immer wichtiger, ja entscheidend für sichere Arbeit“, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles auf einer Konferenz zu Arbeiten 4.0 im März in Berlin. Es gebe jedoch unterschiedliche Auffassungen darüber, ob sich Qualifizierung an den Bedürfnissen des Betriebes anpassen oder sich an der individuellen Berufsbiografie des Einzelnen orientieren soll, so Nahles.

Die Ministerin ist der Meinung, dass auch „jenseits des konkreten Bedarfs“ weitergebildet werden sollte, denn eine innovative Wirtschaft brauche ein breites Potenzial von möglichen Mitarbeitern auf der Höhe der Zeit.

In ihrem Tarifabschluss 2015 hat die Industriegewerkschaft Metall nicht nur mehr Lohn gefordert, sondern auch einen Rechtsanspruch auf persönliche Weiterbildung durchgesetzt, die so genannte Bildungsteilzeit. Das Besondere daran: Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie können sich nach eigenem Wunsch beruflich neu orientieren, eine Berufsausbildung oder auch ein Stu­dium beginnen und dafür in Teilzeit gehen oder eine Auszeit nehmen.

Bildungsteilzeit bis zu sieben Jahren

Darüber schließen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Bildungsvereinbarung ab. Bis zu sieben Jahren können sich Beschäftigte freistellen lassen und haben ein Rückkehrrecht auf einen Arbeitsplatz mit mindestens dem alten Qualifikations- und Entgeltniveau. Kosten und Zeit müssen die Beschäftigten währenddessen selber aufbringen. Wie sie das finanzieren? Auf einem Bildungskonto können z.B. Stunden aus Arbeitszeitkonten aber auch Teile des Urlaubs- oder Weihnachtsgeldes angespart werden, um es für die Zeit der Fortbildung zu nutzen, erklärt Schönhardt.

„Besonders im Vordergrund stand für uns die Möglichkeit, dass die weniger Qualifizierten, die Un- und Angelernten eine Chance bekommen, einen Berufsabschluss nachzuholen“, betont sie. Während gerade höher Qualifizierte von Fortbildungsmöglichkeiten profitierten, sei die Beteiligung von Geringqualifizierten an Weiterbildungen mäßig. Aber gerade die einfache Arbeit, die von Angelernten oder Geringqualifizierten erledigt werden kann, wird abnehmen, glaubt sie.

Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung

Für die Zielgruppe der geringer Qualifizierten haben IG Metall und Arbeitgeber spezielle Förderprogramme vereinbart. Unterstützung kommt aus dem Bundesarbeitsministerium. Mit einer Prämie als Anreiz, eine Weiterbildung auch abzuschließen, und der Förderung von Qualifizierungen, die außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, will Ministerin Nahles mit einem Gesetz zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung vor allem gering qualifizierte Arbeitnehmer unterstützen.

Das sei ein kleiner Schritt zu „ihrer Überlegung, die Bundesagentur für Arbeit zu einer „Bundesagentur für Arbeit und Qualifizierung weiterzuentwickeln“, erklärte die Arbeitsministerin. Sie kündigte zudem an, die Weiterbildungsberatung auszubauen. Viele Menschen wüssten nicht, wie viel ihre Ausbildung noch wert sei und welche Möglichkeiten zur Qualifizierung sie hätten, so Nahles. „Wir brauchen ein Recht auf Weiterbildung“, forderte die Ministerin.

Auch für Conny Schönhardt steht fest, dass Aus- und Weiterbildung nicht nur Schlüssel zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt sind, sondern „auch maßgeblich für die Arbeitsplatzsicherheit“.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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