Arbeit 4.0: Warum die Digitalisierung mehr Mitbestimmung braucht
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Bessere Arbeitsbedingungen durch Digitalisierung schaffen? Das wäre möglich, aber das kommt nicht von alleine. Das zumindest erklären der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann und der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis, am Donnerstag in Berlin. Die beiden Gewerkschaftsvorsitzenden stellten den neuen DGB-Index Gute Arbeit 2016 vor. In diesem Bericht bewerteten rund 10.000 Beschäftigte die Auswirkungen der Digitalisierung auf ihre Arbeitsbedingungen.
Immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit
Vor allem eines wird dabei deutlich: Die Arbeitsintensität hat deutlich zugenommen und damit der Druck und Stress im Berufsalltag. „Rund 82 Prozent der Befragten gaben bei unserer Umfrage an, dass die Digitalisierung ihren Berufsalltag prägt - durch E-Mails, Smartphones, computergesteuerte Produktions- und Terminplanung. Und fast jeder Zweite gab an, dass dadurch Zeitdruck und Belastung zugenommen hat“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Hoffmann. Vassiliadis, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie bestätigte diese Tendenz für seinen „kapitalintensiven“ Industriebereich. Dort sprachen nur neun Prozent der Befragten von Erleichterungen im Zuge der Digitalisierung, während 46 Prozent darüber klagten, immer mehr Arbeit in immer weniger Zeit erledigen zu müssen und zwar 24 Stunden am Tag.
Dass die Chancen der Digitalisierung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen genutzt werden, können derzeit beide Vorsitzenden nicht bestätigen. Durch die Digitalisierung sei die Arbeitswelt nicht bunter geworden, stellte Hoffmann fest. Vassiliadis äußerte einerseits zwar Verständnis für die Unternehmen, die die Chancen nutzten, die Industrie 4.0 zum Beispiel durch mehr Flexibilität in der Produktion biete. Er warnte aber andererseits: „Wenn dieser technische Fortschritt zum Anlass für sozialen Rückschritt wird, sind wir alarmiert.“ Die Chancen einer nochmals flexibleren Produktion müssten auch den Beschäftigten zugute kommen, forderte er.
Mehr Mitbestimmung, mehr Regeln
Noch viel zu selten dürften Beschäftigte mitbestimmen, wann und wie neue Technologien eingesetzt werden. „Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben bereits das Gefühl, ohnmächtig den großen Trends Digitalisierung und Globalisierung ausgeliefert zu sein“, betonte Vassiliadis. Damit die Technik dem Menschen diene und nicht der Mensch der Technik, brauche es deshalb Regeln wie eine umfassende Arbeitszeiterfassung und mehr Mitbestimmungsrecht des Beschäftigten über seine Arbeitszeit, stimmte Hoffmann zu.
Als Beispiel nannte er die Möglichkeit, für einen bestimmten Zeitraum die Arbeitszeit reduzieren zu können. Es müsse möglich sein, für ein Jahr Teilzeit zu arbeiten und ein Recht auf Rückkehr zur Vollzeit zu haben, erklärte er. Dieses Recht müsse auch für Schichtarbeiter gelten, ergänzte Vassiliadis. „Wir wollen ein neues Verständnis der Arbeitszeit. Eine tarifvertraglich gesicherte Arbeitszeit, die Rahmenbedingungen schafft für mehr persönliche Wahlfreiheit“, fügte er hinzu.
Gemeinsam mit Arbeitgebern und Politik wolle man neue Regeln finden, so der Tenor. Das sei auch deshalb wichtig, weil eine deutliche Mehrheit von 86 Prozent der Beschäftigten sich in einem hohen Maß mit ihrer Arbeit identifiziere und darin einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft sehe. Ein Potenzial, dass man nicht verspielen sollte, warnte Hoffmann.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.