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Arbeit 4.0 und Bildungsteilzeit: Wie Qualifizierung im Betrieb gelingen kann

Im digitalen Zeitalter kann Weiterbildung Schutz vor Jobverlust bieten. Wie man sich qualifizieren kann, ohne auf Einkommen zu verzichten, zeigt ein Modell zur betrieblichen Bildungsteilzeit, das Bundesministerin Andrea Nahles und Telekom-Personalvorstand Christian Illek am Mittwoch in Berlin vorstellten.
von Vera Rosigkeit · 14. Juni 2017
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In der Vergangenheit habe der klassische Service-Techniker der deutschen Telekom viele handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt. In Zukunft werde dieser Techniker vor allem mit Datenanalyse in einem digitalen Netz beschäftigt sein. Anhand dieses Beispiels beschreibt Telekom-Personalvorstand Christian P. Illek, wie sich die Anforderungen der Beschäftigten in Zukunft verändern werden.

Deutschland-Modell Bildungsteilzeit

Gemeinsam mit Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles stellte Illek am Mittwoch ein Deutschland-Modell „Bildungsteilzeit“ vor, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Zeit für Weiterbildung geben soll, um ihre Beschäftigungsfähigkeit im digitalen Zeitalter zu sichern. Danach können Beschäftigte ihre Arbeitszeit auf 50 Prozent reduzieren, aber weiterhin 80 Prozent ihres Arbeitsentgeldes erhalten. Finanziert werden soll dies gemeinsam von Unternehmen und Staat.

Damit greife die deutsche Telekom den Gedanken der präventiven Arbeitsmarktpolitik auf, lobte Nahles das vorgelegte Qualifizierungskonzept auf Teilzeitbasis. Mitarbeiter erhielten so die Möglichkeit, sich „on the job“ weiterzubilden, bevor sie möglicherweise von Arbeitslosigkeit betroffen sein könnten. „Man fängt rechtzeitig an, gegenzusteuern, das gefällt mir besonders an diesem Vorschlag“, so die Ministerin.

Mehr präventive Arbeitsmarktpolitik

Dieser Grundgedanke passe zum Leitfaden einer von ihrem Ministerium angestrebten Arbeitsmarktpolitik, in der beispielsweise die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung werden soll. Auch hier stehe der präventive Gedanke im Zentrum, indem beispielsweise unabhängige Weiterbildungsberatung angeboten werden soll, betonte Nahles. Auch tarifliche Modelle seien denkbar, erklärte sie und verwies auf die Weiterbildungsmodelle der IG Metall. In ihrem Tarifabschluss 2015 hatte die Industriegewerkschaft nicht nur mehr Lohn gefordert, sondern mit einer sogenannten Bildungsteilzeit auch einen Rechtsanspruch auf persönliche Weiterbildung durchgesetzt.

Gemeinsam mit anderen Vorschlägen sieht Nahles das Modell der Telekom als Teil eines Gesamtkonzeptes zur Weiterbildungsförderung, an dessen Ende das Recht auf Weiterbildung stehe. Das nütze aber nichts auf dem Papier, sondern müsse am Ende auch in der Praxis funktionieren, sagte sie. Dazu brauche sie die Sozialpartner und vor allem auch die Betriebe, die mitziehen. „Wir brauchen Betriebe, in den Lernen und Experimentieren möglich ist, wo neue Wege getestet werden“, so Nahles. „Wir können als Politik zwar den Rahmen setzen, doch gefüllt werden müsse er in der Praxis“. So definiere sich lernende Arbeitsmarktpolitik.

Investitionen in Weiterbildung

Das von der Telekom vorgeschlagene Modell zur Bildungsteilzeit orientiere sich am „bewährten Altersteilzeitmodell", beschrieb Personalvorstand Illek. Mitarbeiter, deren Tätigkeiten von der Digitalisierung gravierend betroffen sind, können ihre Arbeitszeit auf 50 Prozent reduzieren, erhalten aber 80 Prozent des Monatsgehalts. Finanziert wird dieser Zuschuss zu 20 Prozent vom Staat und zu 10 Prozent vom Unternehmen. Die Rentenbeiträge werden auf 90 Prozent aufgestockt, die zu jeweils 20 Prozent von Unternehmen und Staat gegenfinanziert werden sollen.

Bleibt dem Mitarbeiter eine Eigenbeteiligung von 20 Prozent zum Ursprungsgehalt. Hier sei das Nutzen von Lebensarbeitszeitkonten möglich, erklärte er und garantierte zudem einen Kündigungsausschluss von zwei Jahren pro Weiterbildungsjahr. Insgesamt sei eine Bildungsteilzeit über einen Zeitraum von ein bis vier Jahren möglich.

Für die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt sieht Bundesarbeitsministerin Nahles keine Schwierigkeiten. Zwar sei eine Rückstellung im Haushalt nötig, aber „wir brauchen Investitionen in Bildung“, erklärte sie. Nahles verwies in diesem Zusammenhang auf ihr vorgeschlagenes Konzept eines Erwerbstätigenkontos, einer Idee, die bei der Arbeit am Weißbuch 4.0 entstanden sei. Danach soll jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin ab dem 18. Lebensjahr ein steuerfinanziertes Startguthaben zur Verfügung stehen. Die 20 Prozent Eigenanteil könnten sich ihrer Meinung nach gut aus diesem Guthaben speisen. Auf einer Veranstaltung der re:publica im Mai hatte Nahles den Betrag des Kontos auf 15.000 bis 20.000 Euro pro Kopf beziffert.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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