Anna Kassautzki: Wie die 27-Jährige Merkels Wahlkreis eroberte
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Was für ein Erfolg! Anna Kassautzki hat das bisher Unmögliche geschafft: Zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung hat sie den Bundestagswahlkreis „Vorpommern Rügen-Vorpommern-Greifswald I“ für die SPD gewonnen. Sie hat hier das Erststimmenergebnis für die SPD von 11,6 Prozent bei der letzten Wahl auf jetzt 24,3 Prozent mehr als verdoppeln können.
Damit hätte noch vor ein paar Wochen wohl niemand gerechnet. Denn bisher wurde das Direktmandat seit 1990 acht mal in Folge mit haushohem Vorsprung von der CDU geholt: von keiner geringeren als von Angela Merkel. Die scheidende Kanzlerin war diesmal nicht mehr angetreten.
Anna Kassautzki will „Politik machen für die Menschen“
Große Fußstapfen also, in die die 27-jährige Sozialdemokratin Kassautzki nun tritt. Die im Wahlkreis erscheinende „Ostsee-Zeitung“. spricht schon von „Merkels Erbin“. Anna Kassautzki hält von diesen Vergleichen nicht viel. „Ich glaube nicht, dass einen da Vergleiche groß weiterbringen“, sagt sie im Gespräch mit dem „vorwärts“. „Ich habe nicht in diesem Wahlkreis kandidiert, weil es der Wahlkreis von Angela Merkel war, sondern weil es der Wahlkreis ist, wo ich zuhause bin.“ Ihr Ziel: „Politik machen für die Menschen“.
Das kann sie nun als frisch gebackene Abgeordnete des Deutschen Bundestages. „Ich bin immer noch so ein bisschen aufgeregt“, räumt sie ein. „Es ist eine wahnsinnige Ehre und Verantwortung, die mir da die Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis gegeben haben, sie die nächsten vier Jahre zu vertreten.“ Das sei auch eine Herausforderung, die sie auf jeden Fall gerne annehme. „Ich freue mich total darauf.“
Vom Südwesten in den Nordosten Deutschlands
Geboren wurde Anna Kassautzki 1993 nicht im Nordosten der Republik, in Vorpommern, sondern im Südwesten, in Heidelberg. Aufgewachsen ist sie auf in einem Dorf im Vogelsbergkreis in Hessen. Nach dem Abitur studierte sie zunächst Staatswissenschaften in Passau. Zum Masterstudium der Politikwissenschaft kam sie 2018 nach Greifswald. Ihr Studium hat sie sich als Servicekraft in der Gastronomie finanziert. Zuletzt hat sie für den SPD-Landtagsabgeordneten und Verkehrsminister Christian Pegel gearbeitet. Zurzeit leitet Kassautzki den Familienservice der Universität Greifswald.
Entspannen kann sie sich am besten beim Sport. Seit ihrer Kindheit ist Anna Kassautzki immer in Sportvereinen aktiv: im Leichtathletik-, Schwimm- und Kampfsportverein. Sie läuft aber auch und fährt sehr gerne mit dem Rennrad. Eine weitere Leidenschaft ist die Fotografie. Ihre liebsten Motive sind die Natur, Tiere und die Ostsee. Um sich zu entspannen spielt sie auch mal Computerspiele. Am schönsten aber sind für sie Sonntagnachmittage mit dem Freundeskreis im Kleingarten, während man gemütlich Doppelkopf oder Skat spielt.
Schon früh war sie politisch
Politisch aktiv wurde Kassautzki schon mit 13 Jahren. Seit damals ist sie Mitglied der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V., die mit Bildung und ohne Gewalt gegen rechtes Gedankengut kämpft. Von 2010 bis 2012 war Anna Kassautzki Vorsitzende des Kreisjugendparlaments des Vogelsbergkreises. Politische Mitsprache und der Einsatz für Menschen auf dem Land waren ihr damals schon wichtig. Mit 20 Jahren ist Anna Kassautzki dann in die SPD eingetreten. Sie hat früh gelernt: Probleme löst man nicht mit Druck, sondern mit Dialog und gemeinsamer Arbeit an Lösungen.
So will sie es auch als Bundestagsabgeordnete halten. In der ersten Woche nach der Wahl konnte sie in Berlin erste Erfahrungen sammeln. Die Tage in der Hauptstadt waren „aufregend und sehr schnelllebig“, sagt sie. „Ich musste von Termin zu Termin und zwischendurch immer Interviews geben.“ Dabei habe sie dann sogar das Essen und Trinken vergessen, zumal man im Plenarsaal des Bundestages nicht trinken dürfe. „Irgendwann denkt man dann abends, ein Schluck Wasser wäre cool. Das muss ich auf jeden Fall noch lernen, an so etwas auch zu denken.“
Spannende Begegnungen in der neuen Fraktion
Die ersten Begegnungen mit ihren Kolleg*innen der SPD-Bundestagsfraktion fand sie „total aufregend und spannend“. Von den 206 SPD-Abgeordneten sind 104 neu im Parlament, genau wie sie. „Davon sind 23 Prozent unter 35. Wir sind weiblicher geworden, wir sind diverser geworden, wird sind auch östlicher geworden. Und das freut mich natürlich total.“ Denn so könne die Fraktion die Gesellschaft besser widerspiegeln und alle Perspektiven in ihre Arbeit miteinbeziehen.
Und wo sieht sie den Schwerpunkt ihrer künftigen Parlamentsarbeit? Ihre Wünsche dazu konnte sie bei der Fraktion bereits anmelden. Ihre erste Priorität ist dabei der Bereich Verkehr und Infrastruktur. „Weil da sowohl die Mobilitätswende läuft, als auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur“, erklärt sie. „Weil das vor allem für den ländlichen Raum und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern unfassbar wichtig ist.“ Im übrigen sehe sie nicht ein, „dass weiter Geld für Autobahnen nach Bayern fließt“, während zugleich Rad und Schiene „total vernachlässigt“ würden.
Kassautzki vertraut dem SPD-Spitzenteam
Auch darüber wird die neue Regierungskoalition zu entscheiden haben. Noch wird in Berlin sondiert. Und von vielen spekuliert. „Ich setze da einfach Vertrauen in die Leute, die für uns verhandeln“, betont Anna Kassautzki. „Ich bin mir sicher, dass sie herausholen, was geht, und dass wir eine gute Regierung bilden können, die sowohl die sozialen Aspekte als auch die Zukunft im Blick hat.“ Und sie bekräftigt: „Da vertraue ich Olaf, Saskia, Norbert und all den andern, die da für uns verhandeln. Das kriegen die hin.“