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Anna Elbert: Warum eine Intensivpflegerin den Bundespräsidenten wählt

Wenn am Sonntag der Bundespräsident gewählt wird, ist auch Anna Elbert dabei. Die 31-jährige Intensivpflegerin wurde von der SPD im Saarland als Wahlfrau vorgeschlagen und hofft auf mehr Aufmerksamkeit für sich und ihre Kolleg*innen.
von Kai Doering · 10. Februar 2022
„Wer sagt da Nein?“ Intensivpflegerin Anna Elbert wird für die SPD aus dem Saarland an der Bundesversammlung teilnehmen.
„Wer sagt da Nein?“ Intensivpflegerin Anna Elbert wird für die SPD aus dem Saarland an der Bundesversammlung teilnehmen.

Manchmal hat Anna Elbert das Gefühl, die anderen sehen nur noch die Arbeitskraft, die hinter ihr steckt und nicht mehr den eigentlichen Menschen. Wenn zum Beginn der Schicht wieder mal weniger Pflegekräfte als vorgesehen auf Station sind. Wenn wieder mal viel zu wenig Zeit bleibt, sich so um die Patient*innen zu kümmern wie Elbert es sich wünscht. „Wir werden kaum noch als Menschen gesehen“, sagt die 31-Jährige, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Intensivstation des Uniklinikums des Saarlands in Homburg arbeitet, über sich und ihre Kolleg*innen.

Und trotzdem sagt Anna Elbert: „Aufgeben ist keine Option.“ Die Arbeit im Krankenhaus sei ein „Job, den ich mit Leib und Seele mache“. Dabei hatte sie eigentlich mal ganz andere Pläne. Nach einer Ausbildung zur Fachfrau für Versicherungen und Finanzen wollte Elbert studieren, fand jedoch keinen Platz. So landete sie im Krankenhaus. „Ich mache etwas, das anderen Menschen hilft. Das ist etwas sehr Besonderes“, sagt sie.

Corona als Chance für Veränderungen

Häufig gehe sie allerdings mit dem Gefühl nach Hause: „Ich könnte mehr machen, wenn ich mehr Zeit hätte.“ Der Schichtplan sei immer eng getaktet, für die oder den einzelnen Patient*in bleibe meist zu wenig Zeit. Corona habe die Situation zusätzlich verschärft, sei aber „nur die Spitze des Eisbergs“. Die Situation in der Pflege „war vorher schon schlecht“. Die Aufmerksamkeit, die sie und ihre Kolleg*innen durch die Corona-Pandemie bekommen, sieht Anne Elbert daher auch eher als Chance.

„Nie wurde mehr über die Situation im Gesundheitssystem gesprochen wie im Moment, aber das ist noch nicht genug“, sagt sie. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um etwas zu ändern.“ Und da gibt es vieles: die Personaluntergrenzen in den Kliniken etwa oder das DRG-System mit seinen Fallpauschalen. Auch die Tatsache, dass eine Anstellung in der Arbeitnehmerüberlassung lukrativer ist, hält Anna Elbert für eine schlechte Entwicklung. Und natürlich müsste auch die Bezahlung besser sein. „Wir verdienen zu wenig für die Verantwortung, die wir tragen“, sagt sie.

„Wer sagt da Nein?“

Mit Anke Rehlinger und Ulrich Commerçon, der Vorsitzenden der Saar-SPD und dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion im saarländischen Landtag, hat Anna Elbert schon intensiv über die Situation in der Pflege gesprochen. „Sie waren sehr interessiert und wollten genau wissen, was verändert werden muss.“ Am Wochenende werden die drei noch mehr Zeit miteinander verbringen: Sie sind die Wahlleute der saarländischen SPD in der Bundesversammlung.

„Die Bundesversammlung ist eine Repräsentation unseres Landes. Anna Elbert steht für einen beruflichen Bereich, dem Politik und Gesellschaft viel zumuten und den wir deutlicher aufwerten müssen“, sagt Anke Rehlinger zur Begründung für die Auswahl der 31-Jährigen. „Ulrich Commerçon hat mich vor einigen Wochen angerufen und gefragt, ob ich den Bundespräsidenten mitwählen möchte“, erzählt Anna Elbert. „Wer sagt da Nein?“

Vor der Wahl Berlin erkunden

Von der Bundesversammlung erhofft sie sich auch Kontakte zu Kolleg*innen. Die SPD Niedersachen entsendet Gesundheits- und Krankenpfleger Alexander Jorde, aus Brandenburg kommt Robert Kenzler, der in Potsdam eine Corona-Station mit aufgebaut hat. Auch einige Ärzt*innen werden als Wahlleute in die Bundesversammlung entsandt. „Es wäre schön, mit dem einen oder anderen aus dem Medizinbereich sprechen zu können“, sagt Anna Elbert.

Gespannt ist sie aber auch noch aus einem anderen Grund: „Ich war noch nie in Berlin.“ Für Samstagnachmittag hat sie sich deshalb schon mit Rehlinger und Commerçon verabredet. „Die beiden haben versprochen, mir ein bisschen die Stadt zu zeigen.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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