Inland
Andreas Bovenschulte: Ein „Freedom day“ käme zu früh
Vor der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch wirbt Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte für eine „tiefgreifende“ Lockerung der Corona-Maßnahmen ab Mitte März. Am Tragen von Masken will er aber vorerst festhalten.
von
Kai Doering
· 15. Februar 2022
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imago images/Political-Moments
Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Antrittsbesuch im Bundesrat am Freitag „einen ersten Öffnungsschritt“ bei den Corona-Maßnahmen für die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch in Aussicht gestellt. Was ist da aus Ihrer Sicht denkbar?
Eins vorweg: Lockerungen sind natürlich nur möglich, wenn die Lage in den Krankenhäusern stabil bleibt und dem Gesundheitssystem keine Überlastung droht. Danach sieht es allerdings derzeit in Deutschland insgesamt und insbesondere in dem Bundesland, für das ich sprechen kann, so aus – also in Bremen. Deshalb spricht einiges dafür, dass wir die bestehenden Beschränkungen schrittweise zurückfahren und am kommenden Mittwoch in einem ersten Schritt die sehr strengen Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene lockern – beispielsweise in dem sich dann deutlich mehr als zehn Menschen privat treffen dürfen. Zudem könnte die 2G-Regelung im Einzelhandel fallen, was aber praktisch keine Bedeutung mehr hat. Die allermeisten Bundesländer bzw. die Gerichte dort haben die sowieso schon gekippt.
Sie haben vorgeschlagen, mit dem Auslaufen der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen am 19. März die geltenden Beschränkungen weitgehend aufzuheben. Wollen Sie einen deutschen „Freedom Day“?
Soweit würde ich nicht gehen. „Freedom day“ hieße ja, dass wir auf alle Beschränkungen verzichten würden. Das käme meiner Überzeugung nach noch zu früh. Aber wir sollten über den 19. März hinaus alle tiefgreifenden Schutzmaßnahmen aufgeben. Ich denke da vor allem an kulturelle Veranstaltungen, an Clubs und Diskotheken, an Messen und den Sport. Überall dort gibt es noch teils größere, teils kleinere Beschränkungen, die aber in jedem Fall massive Auswirkungen haben.
Was sollte über den 19. März hinaus Bestand haben?
Ich plädiere sehr dafür, dass wir die AHA-Regeln zumindest eine Zeit lang beibehalten – also Abstand halten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmaske tragen. Nicht überall natürlich, aber in den Bussen und Bahnen beispielsweise könnte das eine Zeit lang noch vernünftig sein.
Markus Söder und einige CDU-Ministerpräsidenten haben in der vergangenen Woche für Irritationen gesorgt, weil sie die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht umsetzen wollen. Wird es hier eine Lösung bei der Ministerpräsidentenkonferenz geben?
Ich hoffe sehr, dass wir uns am Mittwoch auf eine gemeinsame Position verständigen können und dass wieder die Sache im Mittelpunkt steht und nicht die parteipolitische Profilierung. Und ich bin auch guten Mutes, dass uns das gelingen wird, denn eines ist letztlich doch allen klar: Man kann doch geltendes Recht nicht deshalb für unanwendbar erklären, weil man Probleme bei der Umsetzung sieht. Wenn es dort Probleme gibt, dann müssen wir gemeinsam nach einer Lösung suchen. Aber wir dürfen auf keinen Fall das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren: nämlich die Verletzlichsten unserer Gesellschaft bestmöglich zu schützen.
Während das Impftempo bundesweit stagniert, ist Bremen bei den Impfungen gegen das Corona-Virus Spitzenreiter. Was können andere Länder von Ihnen lernen?
Ich finde, wir tun gut daran, anderen keine ungebetenen Ratschläge zu erteilen. Zumal ich davon überzeugt bin, dass alle ihr Bestes gegeben haben, um möglichst viele Menschen zu impfen. Für den Bremer Impferfolg möchte ich vier Gründe nennen. Erstens: Wir haben von Anfang an zusammen mit der heimischen Wirtschaft und den Wohlfahrtsverbänden ein gut funktionierendes Impfzentrum aufgebaut, in denen die Besucherinnen und Besucher keine Bittsteller, sondern Kunden waren. Zweitens: Wir haben die älteren Bürgerinnen und Bürger alle per Post angeschrieben und persönlich zum Impfen eingeladen. Drittens: Wir sind mit Gesundheitsfachkräften in die Quartiere gegangen und haben dort fürs Impfen geworben, also mit Frauen und Männern mit einer medizinisch-pflegerischen Ausbildung, die entweder aus den Quartieren stammen oder die Sprache der Menschen dort sprechen. Und viertens: Wir sind mit Impftrucks und mobilen Teams in die Quartiere gefahren. Die standen und stehen immer noch da, wo die Menschen sind. Vor Einkaufszentren, Bürgerhäusern, Sportvereinen, Gewerbegebieten und und und. Das alles zusammen hat bei uns für eine sehr positive Impfstimmung gesorgt. Noch aber sind wir nicht am Ziel. Zufrieden sind wir erst, wenn wir alle Bremerinnen und Bremer, alle Bremerhavenerinnen und Bremerhavener geimpft haben – oder sagen wir: fast alle.
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Dirk Bleicker | vorwärts
Kai Doering
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.