Altersarmut bei Frauen vorbeugen
Das sind 34 500 mehr als im Vorjahr und so viele wie nie zuvor. Vor allem westdeutsche Frauen müssen ihre Rente aufstocken. Laut den Statistiken bezogen 3,6 Prozent aller Frauen über 65 Jahren in Westdeutschland Leistungen der Grundsicherung. Warum reicht vor allem Frauen die gesetzliche Rente nicht mehr aus? Dieser Frage ging die Konferenz „Arbeit in Teilzeit, Armut in Vollzeit? Altersarmut von Frauen in Deutschland“ der von der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten „Gerechtigkeitswoche“ in Berlin nach.
Die Referentinnen waren sich einig, dass von Altersarmut vor allem Menschen betroffen sind, deren Erwerbsbiographie Lücken aufweist und die in Branchen mit geringen Löhnen oder in Teilzeit gearbeitet haben. Das trifft vor allem auf Frauen zu. Häufig steigen sie über Jahre aus dem Beruf aus, um Kinder zu erziehen oder Angehörige zu pflegen. Danach arbeiten sie oft nur noch in Teilzeit oder in Mini-Jobs weiter. Dies wirkt sich direkt auf die späteren Rentenansprüche aus.
"Baby-Boomerinnen" am stärksten betroffen
Vor allem Mitglieder der Babyboomer-Generation, d.h. Frauen, die zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1960er Jahre geboren wurden, hätten ihre Berufstätigkeit oft für lange Zeit unterbrochen, um sich der Kindererziehung zu widmen, erklärte Susan Javad, Referentin für Gender und Vielfalt der FES. Fehlende Betreuungsmöglichkeiten und ein traditionelles Frauenbild seien Gründe hierfür. Nach der Kindererziehung arbeiteten die Frauen oft nur in Teilzeit weiter, was sich direkt auf die Rentenbezüge auswirke. Der Staat müsse dann die Renten oft aufstocken, um eine Grundsicherung zu gewährleisten. Javad forderte, dass Arbeiten in Teilzeit in bestimmten Lebensphasen möglich und auch sozial abgesichert sein müsse. Ziel sei es außerdem, sicherzustellen, dass „Frauen auch nach der Baby-Pause vollzeitnah arbeiten und außerdem privat besser vorsorgen.“
Dina Frommert von der Deutschen Rentenversicherung erläuterte, dass es im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern in Deutschland keine einheitliche Grundrente für alle gibt. Die Höhe der Rente spiegelt exakt das Einkommen während des Erwerbslebens wider. Das heißt, dass sich auch regionale Unterschiede beim Einkommen und der gender pay gap (Frauen verdienen bei gleicher Qualifikation und bei gleichen Berufen immer noch weniger als Männer) direkt auf die Höhe der Rente auswirken. Somit gibt es auch den gender pension gap, d.h. Frauen bekommen durchschnittlich eine geringere Rente als Männer. Frauen sind also aufgrund ihres geringeren Einkommens stärker von Altersarmut gefährdet als Männer. Hinzu käme, dass viele Frauen nur in Teilzeit arbeiten und somit von Altersarmut bedroht wären.
Eine Grundrente für alle
Ein alternatives Rentensystem stellte Marianne Sundström von der Universität Stockholm vor. Sundström erklärte, dass sich Teilzeit-Arbeit in den skandinavischen Ländern nicht negativ auf die Rentenbezüge auswirkt. Im Durchschnitt würden Rentner, die Teilzeit gearbeitet haben, nur ca. vier bis sechs Prozent weniger Rente bekommen als diejenigen, die Vollzeit gearbeitet haben. In Dänemark und Norwegen sind die Bezüge sogar sehr wenig von Teilzeitarbeit betroffen, da die Renten der Teilzeitarbeiter von den Vollzeitarbeitern subventioniert werden. In Dänemark und Schweden gibt es zudem eine vom Einkommen unabhängige Grundrente, die ein niedrigeres Einkommen kompensiert. Außerdem gibt es in Schweden das Recht, für die Kindererziehung die Arbeitszeit bis zu acht Jahre zu reduzieren und danach in Vollzeit in den alten Beruf zurückzukehren.
In der Diskussion schlug Elke Ferner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, vor, Teilzeit-Arbeit mit mehr als 20 Stunden attraktiver zu machen. Die aktuellen Modelle von 20 Stunden Arbeit pro Woche und weniger könnten eine ausreichende Rente nicht sicherstellen und würden einen gender pension gap von bis zu 50 Prozent ausmachen. Zudem müsse es für Kindererziehungszeiten einen größeren Ausgleich geben. Eine durchgehende Kinderbetreuung von der Kita bis zur Schule müsste sichergestellt werden, damit Frauen ihren Berufen nachgehen können. Auch müsste das Rentenniveau angehoben werden. Vor allem westdeutsche Mütter hätten aufgrund fehlender Ganztagesbetreuung mit strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen, Erwerbsleben und Familie zu vereinbaren. Ziel sei es, eine durchgehende Erwerbsbiographie bei Frauen zu erreichen.
Frauenbild muss moderner werden
Hannelore Buls, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, kritisierte vor allem das Bild der Frau in Deutschland, die in finanzieller Abhängigkeit ihres Ehemannes lebt, sich um Familie und Haushalt kümmert und in einem Minijob arbeitet. De facto seien diese Frauen arm. Frauen müssten finanziell unabhängig werden und sich selbst um ihre Rentenversorgung kümmern. Es müsse ein größeres Bewusstsein dafür geben, dass man auch privat vorsorgen müsse. Auf der anderen Seite wird genau diese Privatisierung der Entscheidungen kritisiert. Der Staat solle wieder mehr sicherstellen, dass alle Bürger im Alter versorgt sind.