Inland

Alleinerziehende: Starke Teams der Nation

von Vera Rosigkeit · 6. März 2010
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vorwärts.de: Sind Alleinerziehende die Hätschelkinder der Nation, wie kürzlich in der FAZ zu lesen war?

Manuela Schwesig: Nein. Alleinerziehende und ihre Kinder sind die starken Teams der Nation. Denn allein erziehend bedeutet, dass Mütter - in einigen Fällen auch Väter - enorm viel leisten. Dafür verdienen sie Anerkennung und mehr Unterstützung.

In den vergangenen Jahren hat sich die Einkommenssituation von erwerbstätigen Alleinerziehenden verschlechtert. Brauchen wir auch Korrekturen bei der Steuerpolitik?

Die SPD hat 2004 den Steuerfreibetrag für Alleinerziehende eingeführt. Wir sollten jetzt darüber nachdenken, ihn weiter auszubauen. Da Alleinerziehende auch wirtschaftlich alleine für Kinder verantwortlich sind, brauchen sie eine besondere Unterstützung. Die SPD will den Familienleistungsausgleich, der Gutverdiener besonders bevorzugt, insgesamt überarbeiten.

Jedes Kind ist uns gleichviel wert! Denkbar ist die Einführung eines Grundfreibetrags für Kinder statt der Freibeträge, von denen nur Gutverdiener profitieren. Auch fordern wir eine Ausweitung des Kinderzuschlags, damit mehr Kinder als bisher aus der Hartz IV-Falle geholt werden können. Generell ist es unser Ziel, Kinder aus der Transferabhängigkeit zu holen. Die SPD will in diesem Jahr ein Konzept für ein Steuersystem vorstellen, in dem wir Familien mit Kindern besonders berücksichtigen.

Was kann Politik noch tun, um Alleinerziehende zu entlasten?

Gerade Alleinerziehende sind auf gute Betreuungsmöglichkeiten angewiesen, denn sie müssen Vollzeit arbeiten gehen können, damit ihr Einkommen ausreicht. In Schwerin haben wir die erste 24-Stunden-Kita auf dem Gelände eines Klinikums gegründet, damit Alleinerziehende auch in Schichtdiensten arbeiten können. Und in der vergangenen Woche habe ich eine Kita besucht, die Betreuung auch an Randzeiten anbietet, d.h. wochentags bis 20 Uhr und am Samstag. Wie soll eine alleinerziehende Verkäuferin sonst ihrer Arbeit nachgehen?

24-Stunden-Kita, das klingt utopisch. Momentan scheint der Ausbau von Betreuungseinrichtungen durch die leeren Kassen der Kommunen gefährdet.

Gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung müssen wir Front machen. Denn durch diese Steuerpolitik, die nur einzelne Klientel bedient, werden Länder und Kommunen so ausgeblutet, dass der Rechtsanspruch auf Betreuung gefährdet ist. Hier muss die Bundesfamilienministerin endlich handeln und dafür sorgen, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab Eins - wie von uns durchgesetzt - ab 2013 Wirklichkeit wird.

Doch wenn die Kommunen sagen, dass sie kein Geld haben, um diesem Anspruch gerecht zu werden, spricht Familienministerin Schröder von Panikmache, anstatt sich stark zu machen gegen die Steuersenkungspläne ihrer Kollegen. Sie muss sich für die Familien einsetzen. Ich wünsche mir, dass in Deutschland für den Kitaanspruch genauso lautstark demonstriert, wird, wie für andere wichtige Dinge. Kinder brauchen eine starke Lobby.

Müssen wir uns Sorgen um die Qualität der Betreuung machen?


Ja. Wir müssen uns gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung wehren. Wir können uns das nicht leisten. Mit den 35 Mio., die dem Land Mecklenburg-Vorpommern durch das schwarz-gelbe so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, was in Wirklichkeit ein Schuldenaufbaugesetz ist, verloren geht, könnten wir die Gruppengrößen in den Kitas spürbar verkleinern oder für alle Kinder im Land ein kostenfreies warmes Mittagessen finanzieren. Die Bundesregierung gefährdet den Ausbau von Betreuung und Bildung vor Ort - das ist unverantwortlich.

Interview: Vera Rosigkeit

Manuela Schwesig ist Ministerin für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg Vorpommern und stellvertretende Vorsitzende der SPD .

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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