Heute vor einem Jahr wurde Torsten Albig zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gewählt. Seitdem arbeitet die rot-grün-blaue Landesregierung daran, ihre Wahlversprechen umzusetzen. Mit Erfolg – doch eine Verfassungsklage könnte die Regierungsmehrheit kippen.
Andere Politiker hätten sich jetzt feiern lassen. Es ist der 6. Mai 2012, Wahlabend in Schleswig-Holstein, und die SPD ist auf über 30 Prozent gekommen, fünf Prozent mehr als bei der vorangegangenen Wahl. Es zeichnet sich ab, dass es für eine Koalition aus SPD, Grünen und der dänischen Minderheitenpartei SSW reichen wird. Für den SPD-Spitzenkandidaten Torsten Albig bedeutet das: Er wird wohl der nächste Ministerpräsident des Landes. Doch er jubelt nicht. Als er im Kieler Landtag vor seine Unterstützer tritt, verzieht er sein Gesicht zu einer leidvollen Miene. „Das ist nicht das Ergebnis, das ich euch versprochen habe“, sagt er.
Diese Szene sagt viel aus über Torsten Albig. Er ist keiner, der poltert und große Töne spuckt. Im Wahlkampf präsentierte er sich als Politiker, der erst einmal zuhört, bevor er Entscheidungen trifft. Demut gehört zu seinen Grundtugenden. Dazu gehört auch, einzugestehen, dass er sich ein noch besseres Wahlergebnis erhofft hatte.
Am 12. Juni 2012, heute vor einem Jahr, wurde Albig vom Landtag zum Ministerpräsidenten gewählt. Vieles hat die Regierung aus SPD, Grünen und SSW seitdem angepackt. Mit kleinen, aber wirkungsvollen Schritten arbeitet sie daran, ihre Wahlversprechen umzusetzen.
Albigs Versprechen: mehr Dialog!
Versprochen hat Torsten Albig im Wahlkampf, einen ständigen Dialog zwischen Bürgern und Regierung zu ermöglichen. Er wollte die Windkraft fördern und sie zu einem tragenden Wirtschaftszweig des Landes machen. Und er wollte in Bildung investieren, ohne die Schuldenbremse in Frage zu stellen.
Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien diese Forderungen aufgegriffen. Die ersten Ergebnisse nach dem ersten Regierungsjahr können sich sehen lassen. Zum Beispiel auf dem Feld Bildung: Um den versprochenen Dialog mit Lehrern, Schülern und Eltern zu führen, hat die neue Regierung mehrere landesweite Bildungskonferenzen durchgeführt. Ein Ergebnis: Ab 2014 soll es nur noch zwei weiterführende Schulen geben, die Gemeinschaftsschule und das Gymnasium.
Zudem investierte die Regierung: Sie bremste den von Schwarz-Gelb geplanten Lehrerabbau, sodass 300 Lehrerstellen mehr erhalten bleiben, als von der vorangegangenen Landesregierung geplant. Und sie stellte fast drei Millionen Euro für zusätzliche Sozialarbeiter an Schulen bereit.
Bei öffentlichen Aufträgen gilt ein Mindestlohn
Den Kommunen stellte die Albig-Regierung zusätzliche Millionen bereit, um den Kita-Ausbau voranzutreiben. Auch beim Thema Windkraft konnte sie Fortschritte erzielen. 1,7 Prozent der Landesfläche wurde als Eignungsfläche für Windräder ausgewiesen. Zuletzt sorgte die Regierung mit einem Mindestlohngesetz für Schlagzeilen. Unternehmen, die öffentliche Aufträge des Landes erhalten wollen, müssen ihren Mitarbeitern künftig mindestens 9,18 Euro pro Stunde zahlen.
Bei der Bevölkerung kommen die Maßnahmen offensichtlich gut an. Laut einer Infratest-Umfrage vom Mai 2013 konnten die Regierungsparteien im Vergleich zur Landtagswahl zusammen um drei Prozent zulegen.
Die Opposition klagt gegen den SSW
Das mag auch daran liegen, dass die Opposition kaum mit eigenen Konzepten für die Zukunft des Landes auffällt. Stattdessen setzt sie auf eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht: Die Junge Union hat dort beantragt, die Befreiung des SSW von der Fünf-Prozent-Hürde zu streichen. Dieses Privileg steht dem SSW bisher als Partei der dänischen Minderheit zu. Erst dadurch wurde die Koalition aus SPD, Grünen und SSW möglich – die Minderheitenpartei kam bei der Landtagswahl auf 4,6 Prozent. Das Urteil des Verfassungsgerichts wird im August erwartet.
Kritik übt die Opposition an der Ausgabenpolitik der Landesregierung. Diese müsse noch mehr sparen, lautet der Vorwurf von CDU und FDP. Dabei dürften sich viele Investitionen der Regierung langfristig rechnen – bei der Bildung, aber auch bei der energetischen Sanierung von öffentlichen Gebäuden. Zudem spart die Regierung an anderer Stelle ein, etwa bei der Subventionierung einzelner Unternehmen. „Wir haben unsinnige Sparmaßnahmen der Vorgängerregierung rückgängig gemacht, ohne den Entschuldungskurs zu verlassen“, beteuert Albig.
arbeitet als Redakteur für die DEMO – die sozialdemokratische Fachzeitschrift für Kommunalpolitik.