Inland

Ägyptischer Journalist attackiert Bundesregierung

An Sendungsbewusstsein fehlte es Ahmed Mansour nur einen Tag nach der Entlassung aus der Untersuchungshaft in Berlin Moabit nicht. Davon konnten sich am Dienstag zahlreiche Kollegen des ägyptischen Journalisten bei seiner Pressekonferenz überzeugen. Doch bleiben viele Fragen rund um seine Festnahme am Samstag am Berliner Flughafen Tegel noch offen.
von Robert Kiesel · 23. Juni 2015
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Zunächst nutzte Mansour die Gelegenheit, sich ausdrücklich bei der deutschen Öffentlichkeit, einzelnen Politikern sowie bei der Generalstaatsanwaltschaft zu bedanken. „Das ist nicht nur die Sache von Ahmed Mansour, das ist die Sache von allen Journalisten und freien Berichterstattern auf der ganzen Welt“, so Mansour. Die „gesamte Welt der Presse“ hätte sich geeinigt und eine eindrucksvolle Demonstration der Pressefreiheit abgeliefert. Dafür sei er zu Dank verpflichtet. Mansour kündigte an, seine journalistische Tätigkeit ungeachtet der jüngsten Ereignisse fortsetzen zu wollen.

Drei Tage zuvor war Mansour kurz vor seiner geplanten Ausreise in Richtung Katar am Flughafen Berlin Tegel festgenommen worden. Als Grundlage dafür galt zunächst ein angeblich existierender internationaler Haftbefehl gegen seine Person. Dieser sollte auf Gesuch der ägyptischen Regierung durch die internationale Polizeiorganisation Interpol ausgestellt worden sein. In seinem Heimatland war Mansour in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er sich an der Folter eines Anwalts beteiligt haben soll. Nachdem Mansour selbst das vehement bestritten hatte und ein Dokument Interpols vorweisen konnte, welches die Existenz eines internationalen Haftbefehls gegen seine Person ausdrücklich verneinte, stellten seine Anwälte nun klar: „Die Verhaftung hätte ganz sicher nicht erfolgen dürfen. Ein internationaler Haftbefehl liegt nicht vor.“

Nationale Fahndung trotz „erheblicher Bedenken“

Unklar ist, auf welcher Grundlage der nach eigenen Angaben mit britischen Reisedokumenten ausgestattete Mansour in Berlin festgesetzt wurde. Rechtsanwalt Andreas Wattenberg, einer der drei Verteidiger von Ahmed Mansour, versuchte sich an einer Chronologie der Ereignisse. Demnach ging am 2. Oktober des vergangenen Jahres ein sogenanntes Fahndungsersuchen gegen seinen Mandanten aus Ägypten bei Interpol ein. Dieses sei aufgrund „erheblicher Bedenken auf Seiten von Interpol“ abgelehnt worden, so Wattenberg weiter. Über diese Bedenken seien noch im selben Monat deutsche Behörden informiert worden. Am 27. Januar 2015, mehr als drei Monate nach der Mitteilung Interpols, eine plötzliche Wendung: Mansour wurde in Deutschland zur nationalen Fahndung ausgeschrieben. Wohlgemerkt ungeachtet der zu diesem Zeitpunkt laut Mansours Anwälten ein zweites Mal erfolgten Warnung Interpols, dass es sich bei dem ägyptischen Ersuchen mutmaßlich um einen Versuch der politischen Verfolgung handele. „Ein sehr fragwürdiges Verfahren“, so Andreas Wattenberg.

Beinahe noch schwerer wiegt die von Mansour aufgeworfene Frage, ob und wenn ja wie stark sich deutsche Behörden von ägyptischer Seite hat unter Druck setzen lassen? Ohne konkret zu werden, unterstellte Mansour genau das: „Die Regierung war erfolgreich darin, bestimmte Leute auf der deutschen Seite zu benutzen“, so Mansour in Bezug auf den Besuch des ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi bei Bundeskanzlerin Angela Merkel im Mai dieses Jahres. Tatsächlich hatte Mansour im Februar dieses Jahres, also nach Einleitung der nationalen Fahndung, Deutschland bereist und wieder verlassen, ohne Probleme. Nach dem Besuch al-Sisis in Deutschland nun die Verhaftung. Mansours Anwälte wollten sich zu „Spekulationen“ in diese Richtung nicht wirklich äußern, machten aber deutlich, dass die Hintergründe der Verhaftung ihres Mandanten rückhaltlos aufgeklärt werden müssten.

Mansour kündigt Rückkehr nach Deutschland an

Dieser wiederum hielt sich nach seiner Freilassung nicht länger als unbedingt nötig in Deutschland auf. Nach genau einer Stunde entschwand Ahmed Mansour von seiner Pressekonferenz  in Richtung Flughafen und von dort aus weiter nach Doha. „Ich plane aber in den nächsten Wochen wieder nach Berlin zu kommen und mit einigen Politikern zu sprechen“, kündigte er an. Kritische Fragen in Bezug auf seine Beziehungen zu Gruppen wie der Muslimbruderschaft oder danach, was genau er unter Pressefreiheit verstehe, hatte er zuvor an sich abperlen lassen. Einzig den Satz „Ich liebe dieses Land“ brachte Mansour noch unter. Danach gefragt hatte ihn niemand.

Autor*in
Robert Kiesel

war bis März 2018 Redakteur des vorwärts.

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