Inland

Agenda 2015 für Steuersünder

von Kai Doering · 23. April 2013

Die Selbstanzeige von Bayern-Manager Uli Hoeneß hat die Debatte über Steuerhinterziehung erneut angefacht. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat heute Pläne für eine Reform der Steuerfahndung vorgestellt. Eine „Agenda 2015“ soll „den Sozialmissbrauch von oben“ bekämpfen.

Bayern ist ganz vorn. In der Bundesliga steht die Meisterschaft seit Wochen fest. Der Pokalsieg gilt als reine Formsache. Und am Dienstagabend geht es gegen Barcelona um den Einzug ins Finale der Champions League. Doch was im Fußball gilt, trifft auf die Steuerbehörden im Freistaat überhaupt nicht zu. Im Ländervergleich belegt Bayern bei der Anzahl der Beschäftigen in der Steuerverwaltung lediglich den 14 von 16 Plätzen. Bei der Anzahl der Betriebsprüfer im Verhältnis zur Zahl der Betriebe ist das Bundesland Schlusslicht.

„In der Steuerverwaltung besteht ein erheblicher Personalmangel“, schreibt der Oberste Rechungshof in seinem Bericht für das vergangene Jahr und nennt auch gleich die Folgen: „Dies führt nicht nur im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle im Veranlagungsbereich zu erheblichen Steuerausfällen.“ Und: „In Bayern wird zur Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung deutlich zu wenig und weniger Personal als im Bundesvergleich eingesetzt.“

Sigmar Gabriel zitiert am frühen Dienstagnachmittag umfänglich aus dem Papier. Neben ihm sitzen im „Kasino“ des Willy-Brandt-Hauses der rheinland-pfälzischen Finanzminister Carsten Kühl und der frühere bayerische Steuerfahnder Dieter Ondracek, mittlerweile Ehrenvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Gemeinsam wollen sie über Steuerhinterziehung und ihre Folgen sprechen. Der Auslöser ist klar.

"Kein Fall Hoeneß, sondern ein Fall Merkel"

„Es geht nicht um den Einzelfall Hoeneß, sondern um das System, das dahintersteht“, beeilt sich der SPD-Chef zu versichern. Und so will Gabriel über den Bayern-Manager auch nicht mehr sagen, als dass dieser das Recht auf einen fairen Prozess habe. Ohnehin ist das ganze für Gabriel „kein Fall Hoeneß, sondern ein Fall Merkel und Schäuble“. Beide seien „systematisch untätig“ und begünstigten Steuerhinterzieher wissentlich. „Ein Rechtsstaat, in dem für alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Regeln gelten, existiert in der Steuerpolitik nicht mehr“, sagt Gabriel.

Der SPD-Chef fordert deshalb „eine Agenda für das obere Ende der Gesellschaft“. Sei es Anfang der 2000er Jahre notwendig gewesen, „Missbräuche und Fehlanreize im Sozialsystem zu bekämpfen, dann ist es die Aufgabe einer Agenda 2015, dies endlich auch gegen Steuerbetrug und milliardenschwere Steuerhinterziehung zu tun“. So sollen etwa Finanzbehörden mit mehr Personal ausgestattet, die Offenlegung von Konten nach amerikanischem Vorbild gesetzlich ermöglicht und weitere Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Steuerbetrug geschaffen werden. Ebenso will Gabriel „schwarze Listen für Banken und Staaten einführen, die sich dem Informationsaustausch verweigern“ und eine gemeinsame Mindestbesteuerung für Unternehmen in Europa durchsetzen.

Rheinland-Pfalz macht es vor

Wie man es machen kann, zeigt Rheinland-Pfalz. Dort fahnden mittlerweile 145 Mitarbeiter nach Steuerhinterziehern – ein Personalzuwachs von zehn Prozent innerhalb der vergangenen drei Jahre. „Wir müssen Steuerhinterziehung konsequent aufdecken“, fordert Landesfinanzminister Carsten Kühl. Für ihn gehört auch der Ankauf von CDs dazu, auf denen sich die Daten von Steuerhinterziehern befinden. Erst in der vergangenen Woche hatten Fahnder rund 200 Wohnungen und Büros durchsucht. Grundlage waren 40.000 Datensätze auf einer CD, die Rheinland-Pfalz für 4,4 Millionen Euro erworben hatte.

Geht es nach Kühl, können die Bundesländer vielleicht schon bald auf ähnliche Käufe verzichten: „Ich bin fest davon überzeugt, dass es schon bald einen automatischen Informationsaustausch von Bankdaten zwischen Ländern wie Österreich, der Schweiz und Deutschland geben wird.“ Dem Ziel, Steuerhinterziehung „auszurotten“, sei man dann endlich ein Stück näher gekommen. „Der erste Schritt beginnt bei uns“, berichtet auch der ehemalige Steuerfahnder Dieter Ondracek aus seiner langjährigen Erfahrung. Er plädiert am Dienstag erneut dafür, das Bankgeheimnis aufzuweichen, da dies allein dem Schutz von Steuerhinterziehern diene. „Gelegenheit macht Diebe“, sagt Ondracek. „Und wer die Gelegenheit bekommt, der nutzt sie auch.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

0 Kommentare
Noch keine Kommentare