AfD-Parteitag: Neoliberal oder sozialpopulistisch?
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Jörg Meuthen begann seine Karriere in der AfD auf dem Ticket der angeblich „Bürgerlichen“. Doch Meuthen hat sich gewandelt, seit er im Sommer 2015 erstmals zu einem der beiden Bundessprecher gewählt wurde. Im Dauerkonflikt mit seiner damaligen Ko-Sprecherin Frauke Petry suchte und fand er das Bündnis mit dem rechten Flügel der Partei. Er machte die Rechtsausleger in der AfD stark, und die stärken umgekehrt auch ihn. Zumal er mit seinen Reden wider eine links-rot-grüne „Versiffung“ Deutschlands und mit seiner Klage über Städte, in deren Straßen er nur noch „vereinzelt Deutsche“ sehe, den Bedarf nach Verbalradikalität zu bedienen weiß.
Weidel-AfD versus Höcke-AfD
Die Frage, wie radikal die AfD sein darf und welchen Stellenwert die völkisch-nationalen Kräfte haben, ist so nicht zuletzt dank Meuthen beantwortet. Bleibt die zweite wichtige Frage, die über die weitere Entwicklung der Partei entscheidet. Soll die Partei als neoliberal-nationalpopulistische Kraft auftreten oder sich als sozial-nationalistische Kraft präsentieren? Eher als Weidel-AfD oder eher als Höcke-AfD? Bei der Antwort wird wieder Meuthen eine wichtige Rolle spielen.
Beim Bundesparteitag am nächsten Wochenende in Augsburg wird erwartet, dass sich Meuthen ausführlich zur Sozialpolitik der AfD äußert. (bnr.de berichtete www.bnr.de/artikel/hintergrund/afd-vor-parteitag-misstrauen-und-richtung...) Sein Ko-Vorsitzender Alexander Gauland spricht gar von einer Grundsatzrede zur Rentenfrage. Meuthen steht vor einer kniffligen Aufgabe: Der Ex-Professor für Volkswirtschaft und Finanzwissenschaft selbst vertritt rentenpolitisch die Positionen der Neoliberalen in der Partei. Ihnen ist alles zuwider, was entfernt nach Bürgerversicherung aussehen könnte. Meuthen selbst hat einmal vor einem „Rentensozialismus“ gewarnt. In Augsburg muss er aber auch den Höcke-Flügel bei Laune halten, der der AfD einen „solidarischen Patriotismus“ anempfiehlt.
Sozialpolitisch die FPÖ als Vorbild
Verbindendes Glied zwischen eigentlich unvereinbaren Positionen könnte einmal mehr der AfD-spezifische Nationalismus sein – zumal bereits jetzt die beiden einzig bekannt gewordenen Papiere aus beiden Flügeln eines gemeinsam haben: den Vorschlag, Menschen ohne deutschen Pass in einem Altersversorgungssystem nach AfD-Vorstellungen von bestimmten Leistungen auszuschließen oder sie mehr bezahlen zu lassen. Nicht wenigen in der AfD dürfte auch sozialpolitisch die FPÖ als Vorbild dienen. Sie geriert sich seit Jahren als „Die soziale Heimatpartei“, gibt aber im praktischen Regierungshandeln Wirtschaftsinteressen den Vorrang vor den Belangen derer, die auf einen funktionierenden Sozialstaat angewiesen sind.
Das Treffen der mehr als 600 Delegierten in Augsburg dürfte nur der Auftakt für eine sozialpolitische Diskussion in der AfD sein. Zwar verlangen einige Kreisverbände und Mitglieder schon jetzt konkrete Beschlüsse. Chancen, tatsächlich auch beschlossen zu werden, haben diese Anträge aber nicht. Viel wahrscheinlicher ist, dass sich ein späterer Parteitag ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Vom Flügel rund um Björn Höcke liegt ein Antrag vor, der verlangt, „im Jahr 2019 zu einem Bundesparteitag einzuladen. Gegenstand dieses Parteitages soll eine Debatte über die zukünftige Ausrichtung der Alternative für Deutschland in Fragen der Sozialpolitik sein“.
Streit um Parteistiftung
Ungewiss ist es geworden, ob die AfD es schafft, am kommenden Wochenende eine der beiden Stiftungsinitiativen als „parteinah“ anzuerkennen. Mehrere Anträge liegen vor. Der Bundesvorstand empfiehlt die Anerkennung der Desiderius-Erasmus-Stiftung, wobei Vertreter der konkurrierenden Gustav-Stresemann-Stiftung dort mitarbeiten können sollen. Ein anderer Antrag sieht die Anerkennung der Stresemann-Initiative als „eine parteinahe Stiftung der AfD“ vor. „Eine“, nicht „die“: Dem Parteifrieden tue es gut, „keiner der beiden bestehenden Stiftungsinitiativen die Anerkennung zu versagen“, meinen die Autoren. Die Partei erweitere so ihre Möglichkeiten und ebne den Weg zur späteren Zusammenführung beider Initiativen.
Immer vernehmbarer sind aber zuletzt die in der AfD geworden, die ganz grundsätzliche Zweifel hegen. Die Bundestagsabgeordneten Fabian Jacobi, Corinna Miazga, Thomas Seitz, Martin E. Renner und Johannes Huber fordern, dass der Parteitag überhaupt keine parteinahe Stiftung anerkennt. Formal verlangen sie zwar nur einen Mitgliederentscheid. Doch schon die Fragestellung, die den Mitgliedern vorgelegt werden soll, verrät, dass es den Antragstellern um eine grundsätzliche Absage geht: „Soll die AfD auf Grundlage des bestehenden Systems der sogenannten ,parteinahen Stiftungen', in dem Steuergelder an entsprechende Vereine ohne ordentliches Leistungsgesetz in willkürlicher Höhe ausgereicht werden und die so begünstigten Vereine keiner demokratischen Kontrolle durch die Mitgliedschaft der jeweiligen Partei unterliegen dürfen, einen Verein als ,parteinahe Stiftung' anerkennen?“
Neuauflage niedersächsischer Schlammschlachten
Dabei ist sogar noch gar nicht klar, ob der Parteitag überhaupt detailliert über das Thema diskutieren wird. Einige Delegierte verlangen, den Tagesordnungspunkt komplett vom Programm zu streichen. „Die zahlreichen noch offenen Fragen sind in der stets behaupteten Eile nicht befriedigend zu beantworten, und eine Klärung auf dem BPT in Augsburg, vor laufenden Kameras und bei 650 Delegierten ist schlicht und einfach nicht möglich“, schreiben die Autoren des Antrags TO 5. „So lange aber muss die Devise gelten, lieber keine Stiftung als eine, hinter der die AfD noch nicht voll und ganz stehen kann.“
Das Programm der zweitägigen Veranstaltung durcheinander bringen könnte zudem ein Antrag von Anhängern des früheren niedersächsischen Landesvorsitzenden Armin Paul Hampel. Sie verlangen ein Rederecht Hampels, bevor die Delegierten in Augsburg die längst vollzogene Amtsenthebung seines Landesvorstands nachträglich formal absegnen. Ein Parteitag der Niedersachsen-AfD hat mittlerweile die Hampel-Dauergegnerin Dana Guth zur neuen Landeschefin gewählt. Das missfällt den Hampel-Fans: „Ein auf dem Landesparteitag vorgetragener Bericht des Bundesrechnungsprüfers war tendenziös und einseitig gegen Hampel gerichtet“, schimpfen sie. „Zudem wurden bewusst Falschaussagen getätigt. Dies geschah offensichtlich auf Betreiben von Mitgliedern des Bundesvorstandes.“ Dass sich freilich die Delegierten in Augsburg mit einer weiteren Neuauflage niedersächsischer Schlammschlachten – nun auch noch ausgedehnt auf die Bundespartei – beschäftigen wollen, darf man bezweifeln.
Dieser Text erschien auf www.bnr.de
ist freier Autor, beschäftigt sich intensiv mit der „Alternative für Deutschland“ und schreibt unter anderem für den „Blick nach Rechts“.