Inland

AfD ist Vorreiter des nationalen Chauvinismus

Die Studie „Fragile Mitte – Feindselige Zustände“ der Friedrich-Ebert-Stiftung sieht im nationalen Chauvinismus einen Türöffner für rechtsextreme Ideologien in Deutschland. Insbesondere die Anhänger der AfD zeigen klar fremdenfeindliche Einstellungen und nutzen Existenzängste der Bevölkerung aus.
von Gabriele Nandlinger · 21. November 2014
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Seit dem Jahr 2006 untersuchen Wissenschaftler im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, in welchem Maß rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung verbreitet sind. Die aktuellen Mitte-Studie wurde am Donnerstag präsentiert. Der Studie zufolge ist der Anteil der Personen mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild insgesamt zurückgegangen. Zur Entwarnung gibt es dennoch keinen Anlass. Nach wie vor sind die Zustimmungswerte zu einzelnen Facetten rechtsextremer Ideologie hoch. Vor allem der nationale Chauvinismus bleibt in der Mitte verankert. So fordern immer mehr Einheimische Vorrechte gegenüber Einwanderern ein. Abgesehen davon ist Rechtsextremismus in Ostdeutschland weiterhin stärker verbreitet als im Westen. Junge Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren zeigen genau wie ältere Menschen über 60 Jahre eine stärkere Tendenz zu braunem Gedankengut als Personen mittleren Alters.

AfD ist Sprachrohr von Existenzängsten und marktförmigen Extremismus

Aufschlussreich sind ebenfalls die Erkenntnisse über die Anhängerschaft der AfD. Diese zeigen der Erhebung zufolge eine deutlich rechte politische Gesinnung. Unter AfD-Sympathisanten sind die Zustimmungswerte zu rechtsextremen Einstellungen wie Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit und Verharmlosung des Nationalsozialismus besonders hoch. Hinzu kommt die europafeindliche Haltung der AfD. Eine negative Haltung zur EU geht nach Ansicht der Wissenschaftler mit einer höheren Zustimmung zu rechtsextremen Einstellungen einher. EU-kritische Haltungen würden sich mit einer gezielten Abwertung von europäischen Nachbarn und Einwanderern überlappen. Für viele Deutsche sei das europäische Ausland zur Zielgruppe abwertender Orientierungen geworden.

Die Mit-Autorin der Studie Beate Küppers schließt einen Backslash in Teilen der Bevölkerung nicht aus, einen Gegentrend zur allgemeinen Entwicklung zu mehr Vielfältigkeit. Menschen fühlten sich in ihren Privilegien bedroht, forderten mehr Etabliertenvorrechte und grenzten sich gegenüber Europa ab. AfD-Anhänger vertreten außerdem entschieden einen marktförmigen Extremismus. Marktförmiger Extremismus ist eine Weltanschauung, die neoliberalen Wettbewerb überbetont und Solidarität ablehnt. Die AfD kanalisiert die Mischung aus Existenzängsten und marktförmigen Extremismus.

Rassismus bleibt präsent

In die aktuelle Erhebung haben die Wissenschaftler Eva Groß, Andreas Hövermann, Anna Klein, Beate Küpper und Andreas Zick das Analysemodell der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) integriert, dessen Ausmaß haben Bielefelder Konfliktforschern über den Zeitraum von zehn Jahren untersucht. Die GMF-Elemente beinhalten Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, Sexismus sowie die Abwertung von Behinderten, Asylsuchenden, Sinti und Roma, Langzeitarbeitslosen, Wohnungslosen und Homosexuellen. Ihr gemeinsamer Kern ist eine Ideologie der Ungleichheit. Nach Ansicht der Autoren der Mitte-Studie gehören rechtsextreme Einstellungen und die Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zusammen. Weite Teile der Gesellschaft seien dafür anfällig, andere gesellschaftliche Gruppen als minderwertig anzusehen oder sogar für „überflüssig“ zu halten.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist der Studie zufolge in Deutschland auch im Jahr 2014 weit verbreitet: 18 Prozent der Befragten sind islamfeindlich und fordern ein Verbot der Zuwanderung von Muslimen. Mehr als ein Drittel ist der Ansicht, es gebe zu viele Ausländer in Deutschland. Rund ein Fünftel sieht die Bundesrepublik „durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“. Knapp 40 Prozent stimmen Ressentiments gegen Sinti und Roma zu. Rund 30 Prozent der Befragten wollen keine bettelnden Obdachlosen in den Fußgängerzonen haben und beinahe die Hälfte unterstellt langzeitarbeitslosen Menschen, dass diese nicht ernsthaft an einem Job interessiert seien. 12 Prozent stimmen der Aussage zu: „Die Weißen sind zu Recht führend in der Welt“ und positionieren sich damit offen rassistisch. Gewalt gegen Einwanderer halten der Studie zufolge ebenfalls 12 Prozent der Befragten für gerechtfertigt, 15 Prozent wären zu Gewalt gegen Fremde bereit.

Antisemitismus versteckt in Israelkritik

Auch der Antisemitismus bleibt ein Problem. Gut zehn Prozent der befragten Personen ist der Ansicht, dass „die Juden ... in Deutschland zu viel Einfluss“ haben. Neben diesem offenen Antisemitismus drückt sich die Judenfeindlichkeit vor allem in sekundären und israelbezogenen Antisemitsmus aus. Rund ein Drittel der Befragten rechtfertigt judenfeindliche Äußerungen mit der Politik Israels und 27 Prozent halten den Vergleich des Vorgehens Israels gegen die Palästinenser mit den Gräueltaten der Nationalsozialisten für angemessen.

Autor*in
Gabriele Nandlinger

ist verantwortliche Redakteurin des Portals „Blick nach rechts“.

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