Abstimmung mit der AfD? „Damit würde die CDU die Brandmauer eintreten“
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Die CDU in Thüringen will in der kommenden Woche einen Antrag mit der AfD abstimmen. Die SPD wirft ihr deshalb Wortbruch vor. Was genau kritisieren Sie?
Die CDU hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Windkraft in Thüringen ausbremsen würde. Windkraftanlagen sollen künftig einen Abstand von mindestens 1000 Metern zu Wohngebäuden haben. Schon in den Ausschuss-Debatten war klar, dass Rot-Rot-Grün diesen Gesetzentwurf nicht mittragen wird. Die CDU-Fraktion bleibt dennoch dabei, ihn im Landtag abzustimmen. Das bedeutet, dass sie in Kauf nimmt, dass der Gesetzentwurf mit den Stimmen der AfD beschlossen wird, zumal die schon Zustimmung signalisiert hat. Damit widerspricht die CDU ihrem eigenen Grundsatzbeschluss, den sie am 7. Februar 2020 nach dem Kemmerich-Eklat gefasst hat. Darin verspricht die CDU, dass sie weder direkt noch indirekt mit der AfD zusammenarbeitet. Das ist schon ein starkes Stück.
Geht es der CDU aus Ihrer Sicht um den Inhalt des Antrags oder um eine Zusammenarbeit mit der AfD?
Die CDU beteuert, ihr ginge es allein um die Sache an sich, und sie behauptet, ohne dieses Gesetz würden den Menschen in Thüringen Windräder in den Vorgarten oder auf die Fußmatte gebaut. Dabei gibt es schon heute kaum einen Fall, in dem ein Windrad näher als 1000 Meter an Wohngebäuden steht. Die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen haben der CDU deshalb immer wieder angeboten, in der Sache weiter zu verhandeln, aber sie war nicht zu Kompromissen bereit. Nun nimmt sie offenbar in Kauf, gemeinsam mit der AfD zu stimmen. Bei dem Spagat, den die CDU-Fraktion zurzeit argumentativ vollführt, muss sie aufpassen, keinen Bänderriss zu kriegen.
Seit dem Bekanntwerden des Vorhabens ist die Empörung groß. Denken Sie, die CDU wird den Antrag dennoch aufrechterhalten?
Die Frage kann nur die CDU-Fraktion beantworten. Es liegt an ihr, den Gesetzentwurf von der Tagesordnung zu nehmen und nochmal das Gespräch mit den Regierungsfraktionen zu suchen. Bisher sagt der Fraktionsvorsitzende aber, die CDU bestehe weiterhin auf den vorliegenden Entwurf. Uns wirft er vor, wir würden mit der AfD-Keule drohen, da ja gar nicht ausgemacht sei, wie eine Mehrheit zustande kommt. Aber wer die Verhältnisse in Thüringen nur einigermaßen kennt und eins und eins zusammenzählen kann, weiß, dass es nur zwei Varianten gibt: Entweder die CDU zieht den Gesetzentwurf zurück oder sie nimmt in Kauf, dass er dank der AfD durchs Parlament geht. Im zweiten Fall bin ich gespannt, was Herr Merz dazu sagt. Schließlich hat er für die gesamte CDU klar jede Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen.
Was würde es bedeuten, wenn der Gesetzentwurf in der kommenden Woche wirklich von CDU, AfD und FDP beschlossen würde?
Das könnte der Auftakt sein zu weiteren Gesetzesinitiativen, die CDU, AfD und FDP gemeinsam abstimmen. Wenn man es einmal „um der guten Sache willen“ in Kauf genommen hat, mit der AfD zu stimmen, kann sich das bei anderen Themen schnell wiederholen. Damit würde die CDU selbst die Brandmauer eintreten, die sie angeblich der AfD gegenüber hochgezogen hat. Dann würden die Demokratie, aber auch die CDU bundesweit schweren Schaden nehmen.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.