Abgeordneter Uwe Schmidt: Ich bin und bleibe Hafenarbeiter und Betriebsrat
Sie haben in Bremerhaven für die SPD das Direktmandat geholt. Im Bundestag werden Sie einer von wenigen Facharbeitern sein. Wie schätzen Sie das ein?
Parlamente sollen die Bevölkerung widerspiegeln und somit auch unterschiedlichste Berufsgruppen. Es sind faktisch jedoch vor allem Akademiker im Bundestag vertreten. Ich bin gelernter KFZ-Mechaniker und Hafenfacharbeiter, habe also eine berufliche Ausbildung anzubieten. Wir müssen nicht alle Abitur haben, um Politik für die Menschen zu machen.
Welche Unterstützung hatten Sie im Wahlkampf?
Das war vielfältig. Ich bin sehr dankbar für die große Unterstützung und das Vertrauen der Genossinnen und Genossen vor Ort. Sowohl die Ortsvereine als auch die Arbeitsgemeinschaften, wie beispielsweise die AfA und die Jusos in Bremerhaven und Bremen haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass wir einen guten und erfolgreichen Wahlkampf abgeliefert haben.
Mit welchen Schwerpunkten gehen Sie an ihre neue Arbeit?
Als Betriebsratsvorsitzender sind Arbeit und Soziales mein Tagesgeschäft, aber auch Verkehr und Wirtschaft liegen mir am Herzen – vor allem die Bedeutung der Häfen. Wir können in Deutschland noch so schöne Autos bauen, die müssen aber auch exportiert werden, Rohstoffe müssen importiert werden. Dies geschieht zum größten Teil über unsere Häfen. Sie sind der Motor unserer Wirtschaft, werden aber vernachlässigt und die Finanzierung obliegt einigen wenigen Ländern. Da stellen sich CDU und CSU hin und erklären, das Land Bremen hätte so viele Schulden. Ja, aber warum? Unter anderem eben, weil wir einen kostenintensiven Hafen vorhalten, übrigens der zweitgrößte deutsche Seehafen, über den die Im- und Exporte abgewickelt werden. Deshalb wollen wir, dass sich der Bund hier stärker an den Kosten beteiligt.
Werden Sie sich als Abgeordneter für Arbeiternehmerfragen einsetzen?
Ich bin und bleibe Hafenarbeiter und Betriebsrat. Im Wahlkampf haben mir viele ihre Stimme gegeben und gesagt: Schmidt, wir wissen, wofür du stehst, aber wofür deine Partei steht, wissen wir nicht. Das zeigt: Wir müssen wieder Politik machen für die Leute auf dem Bau, an den Supermarktkassen und in den Betrieben – die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auf jeden Fall müssen wir uns für mehr Tarifbindung einsetzen, weil derzeit viele Arbeitgeber versuchen, sich dem zu entziehen. Dafür werden wir eng mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten. So kriegen wir auch die AfD wieder klein.
Ist das ein Thema, das AfD-Wähler umtreibt?
Sicher haben viele die AfD gewählt, weil sie sich sozial ungerecht behandelt fühlen, wenn etwa so wenig Rente nach lebenslanger harter Arbeit übrig bleibt, dass sie kaum zum Leben reicht. Sicher sind aber nicht alle AfD-Wähler ausschließlich rechtsradikal orientiert. Dennoch sollten wir auch klar sehen und benennen, wofür die AfD steht. Bestenfalls ist es eine Partei, marktradikaler als die FDP, die nichts auf soziale Standards und Arbeitnehmerrechte gibt. Viel mehr noch ist sie schlicht ein Sammelbecken für Nationalisten und rechtsradikale Funktionäre. Mit mir und der SPD werden sie einen starken Widersacher im Parlament haben.
Sind es die sozialen Fragen, mit denen die SPD wieder an Stärke gewinnen kann?
Ja! Ich werde oft gefragt, warum jemand beispielsweise seinen Meisterbrief in Deutschland selbst bezahlen muss, aber ein Studium vielerorts nichts kostet. Bildung muss kostenfrei sein, das ist richtig und wichtig. Das soll aber für alle Bereiche gelten, nicht nur für Schulen und Hochschulen. Wir müssen uns auch fragen, was uns Arbeit wert ist. Meine Tochter ist Kinderkrankenschwester. Sie wird schlechter bezahlt als eine Kollegin im Hafen. Es darf nicht sein, und hier müssen wir ehrlich sein, dass vor allem Frauen, die andere Menschen pflegen, so schlecht bezahlt werden. Arbeit muss wieder, unabhängig von der Branche, wertgeschätzt werden. Das muss sich darstellen in der Bezahlung, den Arbeitsbedingungen, aber auch dem Umgang miteinander.
Muss die Partei auch über Themen wie die Agenda 2010 streiten?
Wir kennen mittlerweile die Fehler: Da ist der 62-jährige Werftarbeiter, der seine Arbeit verliert, weil zum Beispiel ein Unternehmen falsch gewirtschaftet hat. Falls er nach einem Jahr keinen neuen Job gefunden hat, muss er sein Häuschen verkaufen. Wenn man einen Kollegen hat, der nicht mehr arbeiten kann, weil er verbraucht ist, muss man ihn anders behandeln als jemanden, der noch am Anfang seines Berufslebens steht. Die Agenda 2010 behandelt alle gleich: Es sind aber nicht alle gleich.
Arbeit wird also im Bundestag ihr Kernthema sein?
Ja, aber nicht nur. Menschen, die acht oder mehr Stunden am Tag arbeiten, müssen von ihrer Hände Arbeit leben können und zwar so, dass sie sich keine Gedanken machen müssen, wenn die Kinder ein paar neue Schuhe brauchen oder die nächste Klassenfahrt ansteht. Dafür müssen wir kämpfen, das sage ich auch als Gewerkschafter. SPD und Gewerkschaften im Schulterschluss für arbeitnehmerfreundliche Politik – so gewinnen wir das Vertrauen der Menschen zurück und dann auch wieder Wahlen.
hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.