Newsletter
Inland

50 Jahre Parteiengesetz: Der Weg zu Fairness und Transparenz

Am 28. Juni 1967 beschließt der Bundestag das Parteiengesetz – nach langen Rangeleien zwischen SPD und Union – mit großer Mehrheit. Nach 50 Jahren lässt sich sagen: Das Gesetz hat sich bewährt. Es hat sogar weltweit Modellcharakter erreicht.
von Dietmar Nietan · 28. June 2017
Bundestagsdebatte vor der Wahl:
Bundestagsdebatte vor der Wahl:

Einen Neuanfang sollte der Art. 21 des Grundgesetzes bewirken, den die Mütter und Väter unserer Verfassung 1949 beschlossen. Die politischen Parteien wurden in ihrer Bedeutung für das Funktionieren der Demokratie anerkannt und durch die Verfassung geschützt. Es war eine bewusste Abkehr von der Verfassungstradition des Kaiserreiches und der nur halbherzigen Anerkennung des Parteiwesens in der Weimarer Republik, was der sozialdemokratische Rechtspolitiker Gustav Radbruch damals als „Lebenslüge des Obrigkeitsstaates“ beklagt hatte.

Die Verfassung verlangt ein Parteiengesetz

Das Grundgesetz wollte die verfassungsrechtliche Anerkennung des Parteiwesens jedoch nicht nur als Programmsatz  verstehen. Bereits der Verfassungstext selber legt die Pflicht zur Transparenz hinsichtlich der Herkunft und der Verwendung der Mittel fest.  In Absatz drei fordert das Grundgesetz zugleich den Gesetzgeber auf, das nähere durch ein  Parteiengesetz festzulegen.

Dieser Auftrag des Grundgesetzes blieb lange unerfüllt, trotz regelmäßiger Vorstöße der SPD-Opposition. Das Parteiengesetz sollte die Erfahrungen aus der Weimarer Republik mit antidemokratischen Parteien umsetzen, indem es die demokratische innere Ordnung der Parteien definierte, vor allem sollten die Parteifinanzen transparent werden.

Undurchsichtige Finanzierung der NSDAP

Darauf hatte der Zentrums-Abgeordnete Brockmann in den Beratungen hingewiesen. Die undurchsichtige Finanzierung der NSDAP durch Teile der deutschen Wirtschaft war noch in Erinnerung.

Die von einem Parteiengesetz zu erwartenden Regeln für das Finanzwesen blockierten den Beschluss eines Parteiengesetzes über mehrere Wahlperioden.  

Union und FDP fürchten Nachteile

CDU/CSU und FDP befürchteten wegen ihrer Abhängigkeit von Wirtschaftsspenden die mögliche Transparenz. Zwar gab es 1958 das Gutachten einer hochrangigen Kommission, die der für ein Parteiengesetz zuständige Bundesinnenminister eingesetzt hatte, doch es geschah nichts. Die Creme de la creme deutscher Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler, sorgfältig nach wissenschaftlicher Schule und politischer Tendenz berufen, hatte interessante Ergebnisse zur Rechtlichen Ordnung des Parteiwesens geliefert – ein Gesetzentwurf folgte nicht.

Einfluss auf die innere Ordnung der Parteien nahmen die neuen Wahlgesetze, die in Bund und Ländern für die verschiedenen Wahlen beschlossen wurden, sie legten die Standards für die Kandidatenaufstellung fest, sodass sie auch vor Gerichten einklagbar wurden.

Das Bundesverfassungsgericht schafft Fakten

Nachhaltiger wirkte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Zunächst in den Verbotsurteilen zur SRP (1952) und KPD (1956), die Grundsätze für die Programmatik und die innere Ordnung aufstellten.

Bedeutsam war schließlich das Urteil von 1958, das die steuerliche Begünstigung von Spenden durch das Steuerrecht untersagte. Das Gericht sah in dieser Form der Parteienfinanzierung eine Begünstigung von Parteien mit wirtschaftlich starker Anhängerschaft, deshalb verletze sie das Gebot der Chancengleichheit für politische Parteien.

Große Aufregung bei CDU/CSU und FDP

Dieses Urteil löste große Aufregung bei der CDU/CSU und der FDP aus, denn deren Finanzen beruhten auf diesen Quellen, die umso reichlicher flossen, wenn sie steuerbegünstigt fließen durften. Einen schnellen Ausweg suchte die damals alleinregierende CDU/CSU, indem sie im Bundeshaushalt 1959 Mittel für die Förderung der politischen Parteien einsetzte.

Obwohl die Finanznot groß war, blieben die Beiträge zunächst bescheiden, auch die SPD akzeptierte sie. Doch Haushalt für Haushalt wuchs die Staatsfinanzierung, ohne dass die Forderung des Art. 21 GG erfüllt wurde, die von den Parteien Rechenschaft über ihre Finanzen verlangt. In der SPD wuchs die Ablehnung dieser Form von Parteienfinanzierung unter Umgehung der Grundgesetz-Forderung, obwohl es auch Stimmen gab, die diese schlichte Staatsfinanzierung akzeptieren wollten.

Die SPD klagt in Karlsruhe

Den Widerspruch formulierte, wie 1958 gegen die Steuerbegünstigung, die hessische Landesregierung unter Georg-August Zinn (SPD), nachdem 1965 im Bundeshaushalt 38 Mio. standen. Sie startete eine Normenkontroll-Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.

Parallel dazu akzeptierte die SPD die Mittel, verteilte sie aber in einer Förderung der politischen Bildung, deren Kern die Ausstattung von Schulen, Bibliotheken und Seminaren mit Klassikern der politischen Literatur war. Einige Verlage erlebten einen Boom für ihre Titel, die plötzlich Nachdrucke von 100.000 Exemplaren erreichten und bisher vermisste Literatur war nun in vielen Bibliotheken verfügbar.

Keine Parteienfinanzierung aus dem Bundeshaushalt

Deutlicher wirkte die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die am 19.7.1966 die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt untersagte, aber die angemessene Finanzierung des Wahlkampfes aus Haushaltsmitteln für möglich hielt, Voraussetzung sei jedoch die gesetzliche Grundlage eines Parteiengesetzes. Was gut zwei Jahrzehnte blockiert war, musste nun schnell geschehen, denn die staatlichen Mittel waren unverzichtbar geworden.

Am 28. Juni 1967 wird schließlich das Parteiengesetz vom Bundestag beschlossen, nachdem es vorher einige Rangeleien zwischen CDU/CSU und SPD über die Transparenz bei der Rechenschaftspflicht gegeben hatte. Am Ende gab es einen Beschluss mit großer Mehrheit.

Eingriffe in Innenleben der Parteien

Obwohl im Mittelpunkt der jahrzehntelangen Debatten die finanzielle Rechenschaftspflicht gestanden hatte, darf nicht übersehen werden, dass das Parteiengesetz deutlich in die innere Ordnung der Parteien eingriff. Die geheime Wahl wurde streng verlangt, auch geübte Praktiken bei der Delegiertenwahl und Vorstandsbesetzung mussten geändert werden. Die CDU musste ihre Kooptationen für Parteitage und Vorstände einschränken oder sogar aufgeben.

Die SPD das Blockwahlsystem verändern, dass die Auswahlchancen der Parteimitglieder ausschloss. Ein deutlicher Eingriff in die innere Ordnung war auch das vom Parteiengesetz geforderte Parteigerichtsverfahren, das unabhängige Schiedsgerichte verlangte. Die auf Parteidisziplin achtende SPD musste ihre Sofortausschlüsse aufgeben.

Regelmäßig Klagen in Karlsruhe

Die 1967 gefundenen Regeln über Rechenschaftspflicht und Wahlkampfkostenerstattung waren regelmäßig Gegenstand von Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht, das immer wieder die Interpretation des Parteiengesetzes definierte, am umfassendsten mit dem Urteil von 1992, in dem es seine bisherige Rechtsprechung korrigierte.

Nicht mehr Wahlkampfkostenerstattung sollte es für die Parteien geben, sondern allgemeine Mittel, die den Aufgaben der politischen Parteien gerechter würden. Freilich beschränkte das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Mittel, es dürfe nur eine Teilfinanzierung der politischen Arbeit der Parteien geben. Die Folge dieses Urteils war eine völlige Neufassung des Parteiengesetzes im Teil Finanzierung. Vorbereitende Arbeit für die Änderungen leiteten stets Sachverständigenkommissionen.

Die Parteispendenskandal der CDU

Zum Thema staatliche Finanzierung und Rechenschaftspflicht gehört leider auch, dass zwei große Regelverstöße Gesetzesänderungen anstießen: die Flick-Parteispenden-Affäre in den 1980er Jahren und der vom ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl bzw. der Hessischen CDU 1999/2000 zu verantwortende Parteispendenskandal. Die Folge der CDU-Spendenaffäre war  eine erneute Überarbeitung des Parteiengesetzes bei der Rechenschaftslegung 2002. In dem damaligen Gesetzgebungsverfahren wurden auch Erfahrungen mit Verstößen gegen das Parteiengesetz auf kommunaler ebene (SPD in Köln und Wuppertal) berücksichtigt.Unter anderem wurden Verstöße gegen die Transparenzregeln des Parteiengesetzes unter Strafe gestellt.

50 Jahre nach Beschluss des Parteiengesetzes kann ein Resümee gezogen werden:

  • Wesentliche Änderungen des Parteienrechts sind in den letzten Jahren stets in weitgehender Übereinstimmung zwischen den im Bundestag vertretenen Parteien beschlossen worden. Es gibt ein starkes Bekenntnis zu einem grundsätzlich fairen politischen Wettbewerb.
  • Die Regeln über die innere Ordnung haben sich bewährt. Sie stärken die Mitgliedsrechte und verpflichten Neugründungen auf demokratische Regeln.
  • Es hat lange gedauert, bis bei den Parteifinanzen eine hinreichende Transparenz erreicht wurde. Wer sehen will, wie eine Partei sich finanziert, erhält jetzt Auskunft.
  • Weltweit hat das deutsche System ein Modellcharakter erreicht.

Neue Regelungen sind nötig

Aber auch zukünftige neue Regelungsbedarfe zeichnen sich ab:

- Mehr und mehr gibt es Versuche, mittels Konstrukten außerhalb von Parteistrukturen Spenden einzuwerben und für Kampagnen zu verwenden (zum Beispiel durch den AfD-nahen „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“).

  • Auch die Transparenzpflichten kommunaler Wählervereinigungen hinken noch deutlich hinter denen politischer Parteien hinterher.
  • Eine ganz andere Frage ist sicherlich, welche Anforderungender digitale Wandel an die Bestimmungen über die demokratische innere Ordnung der Parteien und deren notwendige Finanzausstattung stellen.

Die bisherigen Erfahrungen machen aber Mut, dass es gelingen wird, die Erfolgsgeschichte des Parteiengesetzes auch in Zukunft fortzuschreiben.

Autor*in
Dietmar Nietan
Dietmar Nietan

ist seit 2014 Schatzmeister der SPD und seit 2022 Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit.

Noch keine Kommentare
Schreibe ein Kommentar

Restricted HTML

  • Allowed HTML tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Lines and paragraphs break automatically.
  • Web page addresses and email addresses turn into links automatically.