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4-Tage-Woche: Wie realistisch ist das?

Vier Tage arbeiten für den vollen Lohn: Mit dieser Forderung zieht die IG Metall in die Tarifverhandlungen. Was würde das bringen? Und wie realistisch ist die Umsetzung? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
von Kai Doering · 2. Mai 2023
Geht der Weg In Richtung Vier-Tage-Woche? Die Debatte hat mit der Tarifforderung der IG Metall wieder Fahrt aufgenommen.
Geht der Weg In Richtung Vier-Tage-Woche? Die Debatte hat mit der Tarifforderung der IG Metall wieder Fahrt aufgenommen.

Die Debatte gab es schon öfter. Nun wird die 4-Tage-Woche eine konkrete politische Forderung. Die Tarifkommission der IG Metall hat beschlossen, mit der Forderung nach einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleic in die nächste Tarifrunde der nordwestdeutschen Eisen- und Stahlindustrie zu gehen.  „Diese Arbeitszeitverkürzung wäre der Einstieg in die 4-Tage-Woche, die dadurch in vielen Bereichen möglich wird“, erklärte der Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen und Verhandlungsführer Knut Giesler.

Was soll eine 4-Tage-Woche bringen?

„Partiell haben wir für die Organisation unseres eigenen Lebens doch keine Zeit mehr, weil wir zu viel arbeiten“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken bereits in einem Interview im Frühjahr. Die Vier-Tage-Woche könnte hier Abhilfe schaffen: Mehr Zeit für Familie und das eigene Leben, statt für die Erwerbsarbeit, ist das Ziel. Bei einer Vier-Tage-Woche bleibe „mehr Zeit, Dinge wieder selbst zu erledigen, für die man im Fünftage-Stress Unterstützung braucht“, sagte Esken, Hausarbeit etwa oder die Betreuung von Kindern. Gerade Eltern bräuchten andere, flexiblere und geringere Arbeitszeiten, um ihre familiären Pflichten und Bedürfnisse besser organisieren zu können, so die SPD-Chefin.

Weniger Arbeit gleich weniger Stress: Funktioniert das?

Im Februar sorgte eine Studie aus Großbritannien für Furore. 61 Unternehmen mit insgesamt rund 2.900 Beschäftigten hatten probeweise die Vier-Tage-Woche eingeführt. Das Ergebnis: Die Arbeitnehmer*innen waren motivierter und gesünder, die Produktivität stieg oder ging zumindest nicht zurück. Die Zahl der Fehltage dagegen sank um ganze 65 Prozent. 56 der 61 Unternehmen wollen die Vier-Tage-Woche deshalb dauerhaft beibehalten.

Bedeutet weniger arbeiten nicht auch weniger Lohn?

Schon heute hat jede*r Arbeitnehmer*in das Recht, die persönliche Arbeitszeit zu reduzieren. Dabei sinkt dann proportional aber auch das Gehalt. Für viele Beschäftigte ist eine Reduzierung der Arbeitszeit deshalb keine Option, weil sie auf das Geld angewiesen sind. „Sicher braucht man einen Lohnausgleich“, sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken deshalb auch gegenüber dem RND. Ob diesen die Unternehmen zahlen oder der Staat, blieb offen.

Wer ist für die 4-Tage-Woche?

Die Gewerkschaften befürworten den Vorstoß. Bereits bei der Kundgebung zum 1. Mai in Berlin unterstrich der Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit. „Mit der Viertagewoche à 32 Stunden wären viel mehr Frauen bereit, in Vollzeit zurückzukehren, weil dieses Modell auch mit Familie funktioniert“, argumentiert der IG Metall-Chef auch im Interview mit der „Bild am Sonntag“. Auch die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi ist grundsätzlich für eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit, plädiert jedoch für eine Differenzierung nach Branche und Berufsbild. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, er könne sich eine flächendeckende Vier-Tage-Woche nicht vorstellen. Er plädiert dagegen für flexiblere Arbeitszeitmodelle je nach Lebensphase.

Schon jetzt können viele Stellen nicht besetzt werden. Verschärft die 4-Tage-Woche nicht den Fachkräftemangel?

So zumindest argumentieren Arbeitgeber*innen und Vertreter*innen von CDU und FDP. „Deutlich weniger Arbeit bei vollem Lohnausgleich – wirtschaftlich ist das eine Milchmädchenrechnung“, sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, der „Bild am Sonntag“. „Nur mit mehr Bock auf Arbeit und Innovationen werden wir unseren Sozialstaat und den Klimaschutz auf Dauer finanzieren können“, ist Kampeter überzeugt. Ähnlich skeptisch zeigte sich auch der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, Hermann Gröhe: „In Zeiten von Fachkräftemangel die Arbeitszeit zu verkürzen und die Arbeit zu verteuern, würde der Wettbewerbsfähigkeit einen Bärendienst erweisen“, sagte er dem „Tagesspiegel“.

Arbeitsmarkt-Expert*innen halten dagegen, dass Arbeitsplätze durch die Vier-Tage-Woche attraktiver würden und Fachkräfte so angelockt würden. „Eine Reihe von Studien legt nahe, dass Unternehmen nach Einführung einer 4-Tage-Woche genauso produktiv sind“, sagte Wissenschaftler Philipp Frey bereits im vergangenen Jahr im Interview mit „Capital“. Sie könne zudem ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Unternehmen sein, wenn es um die Akquise neuer Mitarbeiter*innen geht.

„Es klingt auf dem ersten Blick zwar nicht naheliegend angesichts drohenden Fachkräftemangels von Arbeitszeitverkürzung im Sinne einer verkürzten Vollzeit zu sprechen. Doch wir wissen, und das zeigen uns neue Studien, dass Menschen mit guten Arbeitsbedingungen deutlich produktiver sind und seltener krank“, sagte auch die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung, Bettina Kohlrausch, im März im vorwärts-Interview.

Wie geht es weiter?

Interessant dürfte die Tarifauseinandersetzung mit der IG Metall Ende des Jahres werden. Gelingt es hier, die 4-Tage-Woche zu etablieren, könnte das auch Einfluss auf andere Branchen haben. Die IG Metall hatte bereits mit dem „Transformationsgeld“ eine Tür aufgestoßen. Praktische Konsequenzen dürfte die Debatte über die 4-Tage-Woche schon jetzt in Berlin haben. Hier will Arbeits- und Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) die Vier-Tage-Woche in Modellprojekten innerhalb der Berliner Verwaltung auszuprobieren. Als erste Kommune in Deutschland bietet die Stadt Wedel in Schleswig-Holstein schon jetzt ihren Beschäftigen die Vier-Tage-Woche an.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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