Inland

30 Jahre Mitbestimmung in den Aufsichtsräten

von Die Redaktion · 30. August 2006
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In der "Bild"-Zeitung betonte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident die

Vorteile für die deutsche Wirtschaft. Die Mitbestimmung mache die Arbeitswelt

demokratischer und führe zu Entscheidungen, die für beide Seiten gut seien.

Zudem stärke sie den Betriebsfrieden und die Motivation, so Beck: "Das macht

unsere Wirtschaft stark."

Die Geschichte der Mitbestimmung

Der politische Kampf um die paritätische Mitbestimmung in den Aufsichtsräten

dauerte über ein Jahrzehnt. Auf einem IG-Metall Kongreß 1965 äußert der

damalige DGB-Vorsitzende Ludwig Rosenberg, die Forderung nach mehr Mitbestimmung

erstmals öffentlich. Mit der 1966 errungenen Regierungsverantwortung der SPD

kam man dem Ziel der politischen Umsetzung ein Stück näher. Die von da an

geführte Diskussion schlug hohe Wellen in Politik, Medien und Gesellschaft.



Der "Faktor Disposition"


Innerhalb der SPD gab es größtenteils Zustimmung zu den Forderungen des

DGB unter Heinz Oskar Vetter, allerdings zwang der kleine Koalitionspartner

FDP zu entscheidenden Einschnitten bei der Besetzung der Aufsichtsräte. Die

leitenden Angestellten, unter dem Namen "Faktor Disposition" bekannt, sollten

mit Blick auf die eigene Wählerschaft in den Aufsichtsräten Berücksichtigung

finden.

Die Wirtschaftsverbände lancierten Kampagnen in denen von

"Zwangsenteignung" und dem "drohenden Gewerkschaftsstaat" die Rede war.

In den Unionsparteien klaffte eine große Kluft zwischen den Sozialverbänden,

die unter dem jungen Norbert Blüm links von den Beschlüssen der

sozialliberalen Koalition lagen und dem Wirtschaftsrat unter Philip von Bismark,

der die Vorschläge vollkommen ablehnte.

Der "Kaiser" und die Mitbestimmung

Wie groß der gesellschaftliche Stellenwert der Mitbestimmung in den späten

60er und 70er Jahren war, lässt sich auch an einem Artikel des

Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" von 1974 belegen. "Beckenbauer fordert

Mitbestimmung in der Nationalmannschaft" heißt es dort. Nach der kläglichen

0:1 Niederlage gegen den Klassenfeind aus der DDR, wollten die Spieler um

Kapitän Beckenbauer ein Mitspracherecht bei der Mannschaftsaufstellung

erstreiten.

Nach zähem Ringen innerhalb der sozialliberalen Koalition, konnte am 18.März

1976 ein Kompromißgesetz im Bundestag verabschiedet werden. Dieses sah

vor, dass in Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeiten Vertreter der

Arbeitnehmer paritätisch in den Aufsichtsrat einziehen. Die FDP hatte allerdings

zum Unmut der Gewerkschaften und auch weiter Teile der SPD den "Faktor

Disposition", die leitenden Angestellten, mit in die Aufsichtsräte eingeschleust.

In Konfliktsituationen stand diese Gruppe den Arbeitgebern traditionell näher als

den Vertretern der Arbeitnehmer. Größter Kritikpunkt war allerdings die

Doppelstimme des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Nichtsdestotrotz hat sich die Mitbestimmung auch gegen die anhaltende zum

Teil scharfe Kritik aus der Wirtschaft bewährt. Als Zeichen des Zuspruchs sieht

der DGB-Vorsitzende Michael Sommer auch die Zusage von Bundeskanzlerin

Angela Merkel (CDU), die Festrede zu halten. Weitere Redner sind der

Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, John Monk, und der

IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters. Im Anschluss an den Festakt werden auf

acht verschiedenen "Themeninseln" Praktiker der Mitbestimmung über ihre

Erfahrungen und Perspektiven diskutieren.

Sebastian Henneke

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