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28-Stunden-Woche: Vorschläge der IG Metall sind „sehr modern“

Ist die Forderung der IG Metall nach einer 28-Stunden-Woche zeitgemäß? Oder fördert sie den angeblichen Fachkräftemangel? Das sind die Reaktionen auf den Vorstoß der Gewerkschaft, die ihren Beschäftigten „ein Stück Freiheit bei der Gestaltung des eigenen Lebens“ geben möchte.
von Vera Rosigkeit · 11. Oktober 2017

In den bevorstehenden Tarifverhandlungen will die IG Metall nicht nur für mehr Lohn, sondern auch für das Recht auf eine 28-Stunden-Woche streiten. Der Vorsitzende Jörg Hofmann hatte die Vorschläge der größten Einzelgewerkschaft Europas am Dienstag auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main vorgestellt. Konkret sollen danach Beschäftigte das Recht bekommen, ihre wöchentliche Arbeitszeit für die Dauer von zwei Jahren auf bis zu 28 Stunden zu verkürzen und danach auf die ursprüngliche Arbeitszeit zurückzukehren. Damit diese Möglichkeit nicht nur Besserverdienenden zu Gute kommt, fordert die Gewerkschaft zudem einen Entgelt-Zuschuss für jene, die Kinder oder Angehörige betreuen und für Schichtarbeiter.

Arbeitgeber klagen, Andrea Nahles begüßt Forderung

Die Klagen von Seiten der Arbeitgeber blieben als Reaktion nicht aus. Sie wehrten sich nicht nur aus finanziellen Gründen gegen die Forderungen, sondern warnten zugleich vor einer Zuspitzung des Fachkräftemangels, wenn Mitarbeiter zweitweise ihre Arbeitszeit verkürzen.

Rückendeckung für ihre Forderungen bekam die IG Metall am Mittwoch von der neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden und ehemaligen Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles. Es sei gut, dass die IG Metall das Thema Arbeitszeit zu einem zentralen Punkt in der anstehenden Tarifrunde mache, erklärte sie der Zeitung „Die Welt“. Immer mehr Menschen wünschten sich eine flexible Gestaltung ihrer Arbeitszeit. Die Wirtschaft müsse den Arbeitnehmern entgegenkommen, wenn sie den Fachkräftemangel wirksam bekämpfen wolle, sagte sie.

Auch SPD-Bundesfamilienministerin Katarina Barley begrüßte den Vorschlag der IG Metall. „Zeit für Familie, die Pflege von Angehörigen oder persönliche Weiterbildung ist für viele Arbeitnehmer inzwischen wichtiger als mehr Gehalt“, sagte sie den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Unsere Arbeitswelt sei im Wandel. Wenn ständige Erreichbarkeit immer mehr zum Regelfall würde, müssten für individuelle Bedürfnisse neue Antworten gefunden werden, fügte sie hinzu.

Ökonom hält Vorschlag für sehr modern

Auch Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung, hält die Vorschläge für sehr modern. „Der Fachkräftemangel ist in Deutschland mehr Sorge als Realität. Sonst würden die Löhne in bestimmten Bereichen wie der Metall- und Elektroindustrie sehr viel stärker steigen“, sagte er in der „Passauer Neuen Presse“.

Der IG Metall gehe es um flexible Arbeitszeiten über die gesamte Lebenszeit, fügte er hinzu. Dabei gebe es Phasen, in denen Beschäftigte weniger arbeiten möchten, um Kinder oder Eltern zu pflegen. Es gehe darum, dass sie bei einer Reduzierung der Arbeitszeit nicht das Recht verlieren, später wieder Vollzeit zu arbeiten, erklärte er. „Ich finde den Vorschlag der IG Metall sehr modern. Es wird sicherlich einiges kosten, ihn umzusetzen.“

Der IG Metall-Vorsitzende Hofmann hielt der Kritik von Seiten der Arbeitgeber entgegen: „Wer heute Menschen in Teilzeit drängt, weil sie etwa Kinder erziehen, verzichtet selbst auf Fachkräfte, die er in Zukunft dringend braucht.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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