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20 Jahre Grundrechtereport: Der „wahre Verfassungsschutzbericht“ feiert Jubiläum

In Karlsruhe wurde am Mittwoch der 20. Grundrechtereport vorgestellt. Herausgegeben wird der Band von acht Bürgerrechtsorganisationen. Wenn man hinein schaut, wird klar: Die Bedrohung der Grundrechte geht in erster Linie vom Staat und den Geheimdiensten aus, nicht von den Bürgern.
von Christian Rath · 15. Juni 2016
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„Ich habe im Rechtsstaat ja schon viel erlebt, aber damit habe ich nicht gerechnet“, sagte Friedensaktivist Hermann Theisen. Per Flugblatt hatte er Mitarbeiter der Rüstungsschmiede Heckler & Koch (HK) aufgerufen, illegale Machenschaften mitzuteilen. Dafür erhielt er nun einen Strafbefehl über 3600 Euro – wegen „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“. Er habe die HK-Mitarbeiter angestachelt, Geschäftsgeheimnisse zu verraten so die Staatsamwaltschaft.

Dabei hat Theisen durchaus Grund, bei Heckler & Koch krumme Geschäfte zu vermuten. Demnächst wird vor dem Landgericht Stuttgart ganz offiziell gegen mehrere HK-Manager wegen Verletzung des Kriegswaffenkontrollgesetzes verhandelt. Theisen hat gegen seinen Strafbefehl inzwischen Widerspruch eingelegt. Er beruft sich auf die Meinungsfreiheit und ist dabei zuversichtlich. „Von rund 20 Gerichtsverfahren habe ich am Ende über neunzig Prozent gewonnen“, sagte der Heidelberger Sozialarbeiter, „ich habe deshalb relativ großes Vertrauen in unser Rechtssystem“.

Jubiläum für den Grundrechtereport

Theisen schilderte seinen Fall bei der Vorstellung des aktuellen Grundrechtereports in Karlsruhe. Der Grundrechtereport ist ein Taschenbuch, das jährlich von acht Bürgerrechtsorganisationen – von der Humanistischen Union bis zu Pro Asyl –  herausgegeben wird, in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal.

Zum Jubiläum formulierte Mitherausgeber Till Müller-Heidelberg eine neue Sprachregelung: „Der Grundrechtereport ist kein alternativer Verfassungsschutzbericht mehr, es ist der wahre Verfassungsschutzbericht.“ Die Bedrohung der Grundrechte gehe in erster Linie vom Staat und den Geheimdiensten aus, nicht von den Bürgern. Immerhin fand sich im diesjährigen Report aber auch ein Beitrag über rechtsradikale Gewalt gegen Flüchtlinge.

Kritik an der Regierung, Lob für die Justiz

Bekanntester Autor ist diesmal der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Er kritisiert das neue Tarifeinheitsgesetz, das die Arbeit kleiner Gewerkschaften erschwert. Der Eingriff in Koalitionsfreiheit und Streikrecht werde letztlich auch die Position der großen Gewerkschaften verschlechtern, argumentiert Ramelow.

Lob gab es im Grundrechtereport vor allem für die Justiz. So hatte der Europäische Gerichtshof in seinem „safe harbour“-Urteil die Übertragung von Daten in die USA beanstandet. „Ich war hellauf begeistert“, sagte Müller-Heidelberg, „denn in den USA gibt es keinen Datenschutz“. Das Bundesverfassungsgericht wurde dafür gelobt, dass es allgemeine Kopftuchverbote für muslimische Lehrerinnen gekippt hatte. Ein freiheitliches Zeichen gegen „wachsende Islamophobie“, so der Report.

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Christian Rath

ist rechtspolitischer Korrespondent.

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