Inland

10.000 Euro für Kampf gegen rechts: Wie Hass zu Geld wird

„Hass und Spenden“ – mehr brauchen sie nicht im Kampf gegen rechts, sagen Aktivisten vom „Zentrum Demokratische Kultur“. Aus Hasskommentaren im Internet machen sie bares Geld. Durch „hass hilft“ werden rechte Hetzer unfreiwillig zu Nazi-Gegnern.
von Paul Starzmann · 8. März 2016

Kaum ein Online-Medium bleibt heute noch verschont: Kurz nachdem ein neuer Artikel zum Thema Flucht oder Asyl ins Netz geht, werden die Kommentarspalten sofort mit Hassbotschaften überflutet. Oft versehen mit unzähligen Ausrufezeichen, lassen die Leser ihrem Frust freien Lauf: „Faules Pack“, schreibt ein Nutzer über Asylbewerber, „hier ist unser Land“. „Zurück mit den Schmarotzern“, fordert ein anderer. Manche gehen noch weiter: „Halbtot schlagen und dann abschieben.“

„Nationale Spendenfront“

Umso wichtiger sei es, etwas gegen die Hasskommentare im Internet zu unternehmen, sagt Fabian Wichmann vom „Zentrum Demokratische Kultur“. Zusammen mit ehrenamtlichen Helfern hat er die Aktion „hass hilft“ ins Leben gerufen. Das Konzept: Für jeden gemeldeten Hass-Post sammeln die Aktivisten Spenden bei ihren Partnern, wie etwa dem FC St. Pauli oder dem Fernsehsender Sky.

Ob auf den großen deutschen Nachrichtenseiten oder den Blogs rechter Verschwörungstheoretiker, von überall melden Helfer die rechte Hetze. Für jeden Hasskommentar geht ein Euro an Flüchtlingsprojekte oder die Organisation „Exit“, die seit 15 Jahren Nazis beim Ausstieg aus der Szene unterstützt. Die Urheber der menschenverachtenden Posts bekommen eine Botschaft von „hass hilft“ geschickt: „Danke, dass du mit deinem Hasskommentar automatisch 1€ an Flüchtlingsprojekte und EXIT-Deutschland gespendet hast.“ Die Aktivisten nennen das „nationale Spendenfront“.

Gegenrede im Netz

Ingesamt seien so bisher 10.000 Euro zusammengekommen, die am Dienstag in Berlin zu gleichen Teilen an die „Aktion Deutschland hilft“ und „EXIT-Nord“ überreicht wurden. Die Aktion laufe seit vier Monaten, bilanziert Fabian Wichmann, bis zu 1,3 Millionen Besucher wöchentlich könne die Webseite von „hass hilft“ verbuchen.

Viele der Hasskommentatoren lebten in einer Parallelwelt, erklärt Manuela Roßbach von der „Aktion Deutschland hilft“. Da viele ihre Informationen ausschließlich über soziale Medien bezögen, hätten sie oft eine spezielle, eingeengte Wahrnehmung der politischen Lage, findet Fabian Wichmann. Sachverhalte würden häufig „hoch dramatisiert“, manche hätten daher das Gefühl, „sich in Selbstjustiz üben zu müssen.“ Die Gegenrede im Netz sei deshalb sinnvoll. Für viele Nutzer, die Hasskommentare melden, sei es eine „Erleichterung“, etwas gegen die Hetze unternehmen zu können.

Der „Ekelfaktor“ entfällt

Stefan Rochow kennt die Einstellungen, die hinter der rechten Hetze stehen. „Ich komme aus dem Rechtsextremismus“, sagt der ehemaliger NPD-Funktionär, der heute die Aktion „hass hilft“ unterstützt. Lange Jahre in der rechten Szene aktiv, verließ Rochow 2008 die NPD. Vier Jahre später war das Thema für ihn abgeschlossen, er wollte seine Vergangenheit als Neonazi hinter sich lassen, einen Neuanfang wagen, sagt er.

Damals hätte er sich nicht vorstellen können, dass in Deutschland wieder fast täglich Asylunterkünfte in Flammen aufgehen würden. „Freie Kameradschaften“ und NPD versuchten, von der derzeitigen Stimmung im Land zu profitieren, meint Rochow. Früher habe es vor aggressiver Menschenverachtung beim Großteil der Öffentlichkeit einen „Ekelfaktor“ gegeben, erinnert sich der Ex-Nazi. Heute würden rassistische Botschaften dagegen im Internet offen geteilt werden.

Sozialneid und Affekt

Der Hass im Internet äußere sich oft im Affekt, sagt Wichmann, und deute auf den Sozialneid vieler Kommentatoren. Mit der Aktion „hass hilft“ dagegen zu halten lohne sich: Manch einer habe sich entschuldigt für die eine oder andere Entgleisung, viele Posts wurden gelöscht, nachdem die Aktivisten darauf aufmerksam gemacht haben. Auch die Moderatoren mancher Webseiten seien durch die Aktion sensibilisiert worden. Manuela Roßbach freut das: Die „Dumpfheit“ der Hetzer werde von „hass hilft“ unterbrochen.

Autor*in
Paul Starzmann

ist promovierter Sprachwissenschaftler und war bis Mai 2018 Redakteur beim vorwärts.

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