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100 Jahre SoVD: „Immer auf der guten Seite der Geschichte“

Vor 100 Jahren wurde der „Sozialverband Deutschland“ als „Bund der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten“ gegründet. Bei einer Feierstunde in Berlin hat der SoVD am Dienstag an seine bewegte Geschichte erinnert – die mit einem Redakteur des „Vorwärts“ begann.
von Kai Doering · 23. Mai 2017
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Deutschland im Frühjahr 1917: Der Erste Weltkrieg geht in sein drittes Jahr. Die alliierte Seeblockade in der Nordsee lässt kaum Lebensmittel nach Deutschland kommen und die Menschen hungern. Tausende Kriegsversehrte bevölkern die Straßen. In dieser Situation treffen sich am 23. Mai einige Männer in der Berliner Lindenstraße, unter ihnen ein junger Redakteur des „Vorwärts“, Erich Kuttner. Gemeinsam gründen sie den „Bund der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten“, dessen Vorsitzender Kuttner wird.

„100 Jahre deutsche Geschichte, die es in sich haben“

„Die Gründung einer starken Organisation für die Kriegsversehrten war im dritten Kriegsjahr mehr als überfällig“, blickt am Dienstag Nachmittag der Historiker Guido Knopp zurück. Knopp ist eingeladen, beim Festakt in der Berliner Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt über die 100-jährige Geschichte des „Sozialverbands Deutschland“ (SoVD) zu sprechen. Dieser habe „immer auf der guten Seite der deutschen Geschichte“ gestanden.

Auch verkörpere der SoVD „100 Jahre deutsche Geschichte, die es in sich haben“. Die Gründung am 23. Mai 1917 sei „insbesondere Sozialdemokraten“ zu verdanken gewesen – allen voran Erich Kuttner. Dieser war 1915 in Verdun selbst schwer verwundet worden. Seine eigenen Kriegserfahrungen werden bei der Gründung des „Bunds der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten“ eine Rolle gespielt haben. „Es gereicht dem SoVD zur Ehre, einen solchen Mann als Gründervater zu haben“, lobt Guido Knopp.

Ein starker Sozialstaat, um Ungleichheit zu überwinden

Dabei sei es Kuttner und seinen Mitstreitern „nicht allein um bessere soziale Leistungen“ gegangen, sondern auch darum, „den Schrecken des modernen Kriegs in der Erinnerung wachzuhalten“, erinnert Knopp. „Frieden, Freiheit und Demokratie waren immer das Leitbild unseres Verbands“, sagt Adolf Bauer. Er ist seit 2003 Präsident des SoVD. Ansonsten hat sich in den vergangenen einhundert Jahren nicht nur der Name merhfach geändert – aus dem Bund der Kriegsteilnehmer und Kriegsbeschädigten wurde 1919 der „Reichsbund“ und schließlich 1999 der SoVD – auch das Engagement wurde ausgeweitet.

So ist der SoVD heute Gesellschafter zweier Berufsbildungswerke, vermietet Wohnungen und betreibt eines der wenigen rollstuhlgerechten Hotels in Europa. Vor allem aber ist der Verband ein Soziallobbyist. „In fast keinen anderen Land mit einem vergleichbaren Wohlstandsniveau ist die Vermögensungleichheit so groß wie in Deutschland“, nutzt SoVD-Chef Bauer auf das Jubiläum, um auf Missstände hinzuweisen. „Wir brauchen einen starken Sozialstaat, der Ungleichheiten überwindet.“

Für Bauer gehören dazu etwa ein „Paradigmenwechsel“ bei der Rente – so müsse das Rentenniveau wieder auf 53 Prozent angehoben werden –, der „Abbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse“, ein „dynamisierter Mindestlohn ohne Ausnahmen“, eine „Bürgerversicherung als einheitliches Versicherungssystem“ und eine „Generalrevision der Hartz-Gesetzgebung“.

Wenn sparen zu teuer ist

Bei Bauers letzten Forderungen betritt Angela Merkel die Friedrichstadtkirche. In ihrer Festrede verweist die Bundeskanzlerin auf das „einzigartige Sozialmodell“ in Deutschland, das allerdings auch Probleme habe. Die große Koalition habe in den zurückliegenden dreieinhalb Jahren viele Verbesserungen erreicht: Mit dem Bundesteilhabegesetz sei man „weggegangen von der reinen Fürsorge hin zur Teilhabe“. Bundesbauministerin Barbara Hendricks habe das „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ ins Leben gerufen. Insgesamt eine Million Wohnungen sollen noch in dieser Legislatur entstehen. Und die Rente mit 63 sei ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit.

„Aber“, so gibt Angela Merkel auch zu bedenken, „wir müssen auch auf die Kosten schauen“. Schließlich gehe es um das Geld der Steuerzahler. Beim SoVD ist die Kanzlerin damit jedoch an der falschen Adresse. Auf die Frage, „Wer soll das bezahlen?“ antworte er stets „Wer übernimmt die Kosten, die entstehen, wenn wir heute nichts unternehmen?“, sagt Adolf Bauer und verspricht: „Wir werden und wir dürfen nicht nachlassen bei unserem Einsatz für Solidarität und soziale Gerechtigkeit.“

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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