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100 Jahre nach Marie Juchaczs Rede: Es gibt noch viel zu tun

Sie war AWO-Gründerin und redete vor 100 Jahren als erste Frau im deutschen Parlament: SPD-Fraktion und Arbeiterwohlfahrt ehren die großartige Leistung der Sozialdemokratin Marie Juchacz.
von Vera Rosigkeit · 19. Februar 2019
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Wenn für politische Auseinandersetzungen Motivation notwendig ist, sollte man an Marie Juchacz denken, „die großartige Leistungen unter schwierigen Bedingungen geschafft hat.“ So sieht es SPD-Parteichefin Andrea Nahles am Dienstag auf einer Veranstaltung vor dem Denkmal der AWO-Gründerin in Berlin. Vor genau 100 Jahren, am 19. Februar 1919, war Juchacz die erste Frau, die im deutschen Reichstag eine Rede hielt.

SPD-Fraktion verleiht Marie-Juchacz-Preis

Bereits am Abend zuvor hatte die SPD-Bundestagsfraktion aus diesem Anlass auf der Veranstaltung „100 Jahre Frauenwahlrecht – Unser Ziel ist Parität“ einmalig den Marie-Juchacz-Preis verliehen.

Gewürdigt wurden u.a. zwei junge Frauen für ihre frauenpolitischen Reden. Marie Juchacz habe nie die Sicherheit gehabt, die sie heute genieße, zitiert Nahles aus der autobiografischen Rede der 16-jährigen Julia Huber. Ziel Hubers sei es, erfolgreich in ihrem Beruf zu sein und keine Grenzen anzuerkennen, nur weil sie weiblich sei. Doch Rollenbilder existierten noch, es werde munter weiter pauschalisiert, heißt es bei der zweiten Preisträgerin, der 19-jährigen Anne Sophie Spieler. Für Nahles ein Beweis, dass auch die jungen Frauen wissen, „es gibt noch viel zu tun“.

8. März wird Feiertag

Als Parteivorsitzende liegt für sie darin ein gleichstellungspolitischer Auftrag, beispielsweise um die diskriminierende Bezahlung im Dienstleistungsbereich anzugehen, einem Bereich, in dem vorwiegend Frauen tätig seien. „Die AWO weiß davon“, sagt sie an AWO Präsident Wilhelm Schmidt gewandt. Denn die AWO, die in diesem Jahr ihr 100. Bestehen feiert, sei Mitstreiter im Kampf um einen Tarifvertrag in der Altenpflege, betont sie.

Auch Michael Müller, Regierender Bürgermeister Berlins, kritisiert die noch immer bestehende Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern. Auch wenn vieles erreicht sei, seit Marie Juchacz als erste Frau in der Nationalversammlung ihre kämpferische Rede hielt, war die Geschichte der Gleichstellung nicht ohne Rückschläge, vor allem in der Zeit des Nationalsozialismus, sagt der SPD-Politiker. Und heute „kämpfen wir weiter für „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“. Sein Wunsch: „Dass wir alle so entschlossen für die Rechte der Frauen einstehen, wie Marie Juchacz dies immer tat.“

Juchacz-Denkmal in Straße des Friedens aufgenommen

Für ihn Grund genug, den internationalen Frauentag am 8. März in Berlin zum Feiertag zu machen. Damit zwinge der Tag zur öffentlichen Diskussion, betont er. Vor allem aber soll der 8. März künftig das gemeinsame Engagement fördern.

Auch AWO-Präsident Wilhelm Schmidt sieht den Kampf von Juchacz noch nicht zu Ende. So wurde ihr Denkmal, das sich seit 2017 im Berliner Bezirk Kreuzberg unweit des heutigen Mehringplatzes befindet, im Rahmen der Veranstaltung offiziell in das Kulturprojekt „Die europäische Skulpturenstraße des Friedens“ aufgenommen. Die Grundidee stammt von dem polnisch-jüdischen Künstler Otto Freundlich, der schon 1936 seine Vision von begehbaren „Skulpturen für die Menschlichkeit“ beschrieb. Heute verbindet die Straße die Küste der Normandie mit Moskau und Amsterdam mit den Pyrenäen. Damit ist das Denkmal für Marie Juchacz nun Teil dieser Carta des Friedens in ganz Europa, sagt Schmidt.

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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