Soziale Politik

Frauenhass im Netz: Saskia Esken wirbt für Demokratiefördergesetz

In einer Gesprächsrunde der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen tauschten sich Expertinnen über den zunehmenden frauenfeindlichen Hass im Netz aus.
von Alica Aldehoff · 4. Juni 2021

„Das Netz war mal eine Plattform für demokratischen Austausch und kein Ort für Hassrede. Lasst uns diese Plattform zurückgewinnen.“ Wie wichtig dieses Vorhaben der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken ist, zeigte die Podiumsdiskussion der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) zu Hass im Netz, auch „Hate Speech“ genannt.

Saskia Esken wirbt für Demokratiefördergesetz

Esken nutzte die Diskussion, um immer wieder auf die Dringlichkeit des Demokratiefördergesetzes hinzuweisen, das lange von der Union blockiert worden war. Der Gesetzesentwurf sieht  89 Einzelmaßnahmen vor, mit ihnen sollen Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bekämpft werden. Hierfür sollen bis 2024 rund eine Milliarde Euro bereitgestellt werden. Dazu kommen Verstärkungsmittel in Höhe von 150 Millionen Euro. Wie dringend dieses Gesetz zu sein scheint, zeigte sich im Gespräch der Expertinnen.

Schnell wurden im Gespräch klar, wie weitgreifend sich das Problem der Hassrede im Internet gestaltet, von der Frauen in besonderem Maße betroffen sind. Die sexualisierte Gewalt  sei dabei besonders ausgeprägt, so die Rechtsexpertin Josephine Ballon. Ihre Organisation HateAid bietet Betroffenen digitaler Gewalt ein kostenloses Beratungsangebot und Prozesskostenfinanzierung.

Rund drei Viertel der Betroffenen, deren Prozesskosten durch HateAid übernommen wurden, seien Frauen. Das meiste, was diese im Netz an Hass ertragen müssten, würde sich unmittelbar gegen ihr Geschlecht und ihr Aussehen wenden, davon seien fünf Prozent sogar Vergewaltigungsdrohungen. Männer würden eine solche Art der Beleidigungen und Bedrohungen kaum erhalten „das bestärkt uns in dem Gefühl, dass es durchaus geboten ist, die Genderperspektive bei diesem Thema einzunehmen“.

Hassrede im Internet sorgt für Mangel an kommunalen Politikerinnen

Eine Folge der zunehmenden Beleidigungen und Bedrohungen sei, dass besonders auf kommunaler Ebene Frauen zunehmend abgeschreckt seien, sich ob des enormen Hasses im Netz ehrenamtlich politisch zu engagieren. Die Hassrede sei laut Ballon zudem als doppelter Angriff zu sehen: „Sie ist zunächst einmal sehr persönlich und löst bei Betroffenen ein Schamgefühl aus“. Doch auch die Außenwirkung sei enorm: „Gerade im politischen Bereich geht es natürlich auch darum, die politische Legitimation der Betroffenen zu untergraben und zu zeigen, mit was man rechnen muss, wenn man sich zu bestimmten politischen Themen äußert“. Dieser Silencing-Effekt würde längst funktionieren: „In repräsentativen Umfragen haben mehr als die Hälfte der Internetnutzer*innen angegeben, dass sie sich, obwohl noch nicht selbst von digitaler Gewalt betroffen, seltener an politischen Diskussionen beteiligen, weil sie gesehen haben, was ihnen passieren kann“, so Ballon.

An dieser Stelle fehle es an Unterstützungsstrukturen. Aber auch generell gäbe es zu wenig Anlaufstellen, HateAid sei nach wie vor die einzige auf digitale Gewalt spezialisierte Beratungsstelle in ganz Deutschland. Dem konnte sich Amina Yousaf nur anschließen. Gerade im kommunalen Bereich fehle es an weiblichen Ortsbeiräten bis hin zu Städträten, so die die Online-Expertin sowie Expertin für Intersektoralen Feminismus, die sich auch in der ASF engagiert: „Da kommen viele Komponenten zusammen, unter anderem aber auch, dass die digitale Gewalt während des Wahlkampfs, bevor Frauen überhaupt ein Mandat innehaben, bereits zum Grundrauschen gehört“.

Täter*innen: meist männlich, weiß und rechtsradikal gesinnt

Natascha Strobl war als Rechtextremismusforscherin oft auch selbst schon von Anfeindungen im Netz betroffen. Ihren Erfahrungen nach entsprächen Täter*innen oft einem bestimmten Stereotyp: jung, männlich, weiß und mit rechtsradikaler Gesinnung. Wie schnell aus Worten Taten werden könnten, brachte sie mit der Geschichte von Sigrid Maurer, einer östereischichen Politikerin, zum Ausdruck. Diese habe frauenfeindliche Hassnachrichten von einem inzwischen als „Bierwirt“ bekannten Mann erhalten. Maurer habe dies veröffentlicht und wurde daraufhin von dem Mann wegen übler Nachrede angezeigt. Zwar wurde sie in zweiter Instanz freigesprochen, jedoch musste der Bierwirt lediglich die Prozesskosten zahlen. Vor zwei Monaten habe der Mann dann seine Ex-Partnerin vor den beiden gemeinsamen Kindern umgebracht.

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