Eckpunkte: Was im neuen Selbstbestimmungsgesetz der Ampel stehen soll
„Heute ist ein guter Tag für die Freiheitsrechte in unserem Land und für die Vielfalt“, beginnt Bundesfamilienministerin Lisa Paus am Donnerstag in der Bundespressekonferenz, als sie das Eckpunktepapier zum Entwurf eines Selbstbestimmungsgesetzes von SPD, Grünen und FDP vorstellt. Seit 40 Jahren verletze das Transsexuellengesetz die Rechte und die Würde von trans* Menschen, so Paus, zu diesem Ergebnis komme auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder.
Transgeschlechtlichkeit heißt, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht mit dem Empfinden der betroffenen Person übereinstimmt. Bisher konnten diese Menschen ihren Personenstand nur im Rahmen eines langwierigen Gerichtsverfahrens ändern. Auch zwei Gutachten werden dafür benötigt, die laut Paus – und auch von den Personen selbst – zum Teil als menschenverachtend und entwürdigend kritisiert werden. Das Gesetz atme „den Geist der 1970er Jahre“, so die Familienministerin, es sei pathologisierend und behandle trans* Menschen wie Kranke. Für die SPD ist eine Änderung seit langem ein Anliegen, mit der Union kam es in der großen Koalition aber nie zu einer Einigung.
Schnelle Einigung ohne CDU-Beteiligung
In der Ampel-Koalition änderte sich das bereits im Koalitionsvertrag – und mit dem Eckpunktepapier beginnt die Umsetzung: Mit dem Selbstbestimmungsgesetz sollen trans*, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen künftig ihren Vornamen und den Personenstand im Standesamt ändern können. Für die Eintragung sollen weder Gutachten noch ärztliche Atteste oder Gerichtsverfahren nötig sein. Für Minderjährige ab 14 Jahren bedarf es allerdings der Zustimmung der Sorgeberechtigen. Sollte es in solchen Fällen zu Konflikten kommen, sollen Familiengerichte entscheiden. Bis zum 14. Lebensjahr können nur die Sorgeberechtigten die Erklärung für das Kind abgeben. Für Familien soll es außerdem die Möglichkeit geben, sich bei Jugendämtern oder anderen Stellen beraten zu lassen. Diese sollen dafür auch gestärkt werden.
Um sicherzustellen, dass die betroffenen Personen es ernst meinen, soll der Personenstand nur einmal im Jahr geändert werden dürfen.
Reform des Abstammungsrechts
Zusätzlich soll auch das Abstammungsrecht reformiert werden, was ebenfalls bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden war. Das Selbstbestimmungsgesetz enthält auch ein Offenbarungsverbot: Wer ohne Erlaubnis der betroffenen Person den Geburtsnamen veröffentlicht, muss mit einem Bußgeld rechnen. Menschen, die eine Transformation vorgenommen haben, verwenden oft den Geburtsnamen nicht mehr. Wenn Außenstehende diesen Namen dann trotzdem als Ansprache verwenden, wird dies oft als transfeindliches, verletzendes „Deadnaming“ empfunden. Wer aufgrund des Transsexuellengesetz bisher von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen war, soll eine Entschädigung erhalten.
Das Selbstbestimmungsgesetz bezieht sich ausschließlich auf die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags, körperliche geschlechtsanpassende Maßnahmen sind noch nicht Teil des Gesetzesvorhabens. Zwei Punkte, die getrennt behandelt werden müssten, so Justizminister Marco Buschmann. Für letzteres gäbe es eigene Grundlagen und eigene medizinische Fachempfehlungen.
Große Freude bei der SPD
Aus der SPD kommt sehr viel Zustimmung zu dem Gesetzesentwurf. „Die SPDqueer begrüßt die in dem Papier enthaltenen Eckpunkte ausdrücklich und freut sich, dass damit nach mehr als 40 Jahren die Abschaffung des fremdbestimmenden und diskriminierenden Transsexuellengesetzes endlich auf den Weg gebracht wird“, schrieb die Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokrat*inne auf Twitter. „Die kommende, längst überfällige Regelung schafft echte Selbstbestimmung und wird dadurch transgeschlechtlichen sowie nicht-binären und intergeschlechtlichen Menschen Würde und Anerkennung geben.“
„Das Gesetz soll nun endlich das in Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz von 1980 ablösen“, erklärt der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Falko Droßmann. „Die vorgestellten Eckpunkte sind ein guter erster Aufschlag und eine wichtige Diskussionsgrundlage für unsere parlamentarischen Beratungen.“ Die Ampelkoalition setze damit ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag um „und geht einen wichtigen Schritt für die queere Community und für mehr Selbstbestimmung in unserem Land“.