Wie ein SPD-Ortsverein die Erinnerung an Kurt Eisner hochhält
Ob Kurt Eisner jemals in Erlenbach gewesen ist, ist nicht überliefert. Sehr wahrscheinlich ist es allerdings nicht, denn weder als Journalist noch als Politiker wird er in dem kleinen Ort Würzburg zu tun gehabt haben. Trotzdem lebt in Erlenbach die Erinnerung an Eisner, der in der Nacht auf den 9. November 1918 in München die Republik ausrief und damit den Freistaat Bayern schuf.
Der Freistaat Bayern ist keine CSU-Erfindung
Seit 2005 lädt der SPD Ortsverein zu einer Freistaatsfeier ein, um an Eisner und die Ausrufung der Republik zu erinnern. „Normalerweise findet sie unter freiem Himmel statt“, erzählt Martin Wagner. Er ist seit 1991 Ortsvereinsvorsitzender. Die Idee zur Freistaatsfeier sei 2005 entstanden. Da wurde der Ortsverein 50 Jahre alt. „Heutzutage kennt kaum jemand Kurt Eisner. Das wollten wir zumindest bei uns vor Ort ändern“, erklärt Wagner. Also luden sie die rund 2.500 Einwohner von Erlenbach ein und erzählten bei Freibier und Freibrezeln über die geschichtlichen Hintergründe der Revolution in Bayern. „Wir wollten auch klarmachen, dass der Freistaat keine Erfindung der CSU ist“, sagt Martin Wagner. Dass Ministerpräsident Markus Söder in seiner Rede zur Gründung des demokratischen Freistaates Bayerns in diesem Jahr Kurt Eisner mit keiner Silbe erwähnte, ärgert ihn. „Geschichtsvergessen“ sei das, empört sich Wagner.
Anders in Erlenbach. Da kamen am 10. November rund 100 Interessierte in den Vorraum der Festhalle und erfuhren bei einer szenischen Lesung, wie Eisner am 7. November 1918 einen Demonstrationszug von der Theresienwiese zuerst zu den Garnisonen Münchens und dann ins Stadtzentrum führte und schließlich am Tag darauf im Mathäserbräu erklärte: „Die Dynastie Wittelsbach ist abgesetzt! Bayern ist fortan ein Freistaat!“
Anton-Jeßberger-Bürgerpreis und Sonntagsgespräche
Die Erinnerung ist den Genossinnen und Genossen in Erlenbach wichtig, aber auch sonst stellen die gut 30 SPD-Mitglieder vor Ort einiges auf die Beine. So verleiht der Ortsverein ebenfalls seit 2005 in unregelmäßigen Abständen den Anton-Jeßberger-Bürgerpreis. Er ist benannt nach dem ersten OV-Vorsitzenden und besteht aus einem Glasporträt des Namensgebers, einer Urkunde und 150 Euro, die zweckgebunden ausgegeben werden müssen. „Wir ehren damit Menschen, die sich um Erlenbach verdient gemacht haben“, erklärt Martin Wagner. Die Vorschläge kommen von den Einwohnern des Ortes, amtierende Mandatsträger sind als Preisträger ausgeschlossen. Zuletzt wurde 2015 das Ehepaar Gerti und Edgar Lang geehrt. „Vor wenigen Wochen hat Edgar Lang das Bundesverdienstkreuz bekommen“, freut sich Wagner. Der nächste Bürgerpreis soll im kommenden Jahr kurz vor der Europawahl verliehen werden.
Im Wahlkampf sollen auch die „Erlenbacher Sonntagsgespräche“ wiederbelebt werden. Das erste fand bereits 1996 statt. In den folgenden Jahren kamen prominente Sozialdemokraten wie der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen, SPD-Vordenker Erhard Eppler, Nürnbergs Oberbürgermeister Uli Maly und die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt nach Erlenbach, um mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. „Das letzte Sonntagsgespräch hat 2013 stattgefunden, aber unser Ziel ist, dass es künftig wieder jedes Jahr eins geben wird“, sagt der OV-Vorsitzende.
Ein optimistischer Blick nach vorn
Ein fester Termin im Kalender des Ortsvereins ist bereits das „Kabarett im Winzerkeller“. Neben lokalen Größen traten auch schon fernsehbekannte Kabarettisten wie HG. Butzko in Erlenbach auf. „Das Programm kommt immer sehr gut an“, berichtet Wagner. Die Eintrittskarten seien meist schnell verkauft. „Wir haben ein treues Stammpublikum.“ Die Künstler lotst der OV-Vorsitzende häufig persönlich in den Ort, indem er sie bei anderen Veranstaltungen anspricht, ob sie nicht Lust hätten, auch mal in Erlenbach aufzutreten. Trotzdem betont Wagner: „Unsere vielen Aktivitäten funktionieren nur dank einer Mannschaftsleistung des gesamten Ortsvereins. Teamwork wird bei uns großgeschrieben. “
Zumal die Situation nach der Landtagswahl im Oktober nicht leichter geworden ist. Zwar lag die SPD bei den Erststimmen in Erlenbach mit 17 Prozent deutlich über dem Landesdurchschnitt, doch verlor die Partei zwei ihrer bisher vier Abgeordneten in Unterfranken. Martin Wagner blickt trotzdem zuversichtlich auf die Gemeinderatswahl im Frühjahr 2020. Gemeinsam mit der Freien Wählergemeinschaft, die mit den „Freien Wählern“ nichts zu tun hat, verfügt die SPD über sieben von 14 Sitzen. Fünf Ratsmitglieder besitzen das SPD-Parteibuch. Das Bündnis stellt auch den Bürgermeister und hat deshalb im Rat die Mehrheit. „Zurzeit sind wir dabei, die Liste für die Wahl zusammenzustellen“, berichtet Martin Wagner. Und eine neue Aktion ist auch schon in Planung: Die Ortsvereinszeitschrift „Zündblättle“ soll noch vor Weihnachten im Ort verteilt werden.
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.