Parteileben

Was der Deichbrand-Gründer für die SPD im Bundestag erreichen will

Daniel Schneider ist Gründer und langjähriger Geschäftsführer des Deichbrand-Festivals. Nun sitzt der 45-jährige Niedersachse für die SPD im Bundestag. Dort will er sich für die Kultur stark machen.
von Jonas Jordan · 15. Dezember 2021
Daniel Schneider ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Niedersachsen.
Daniel Schneider ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Niedersachsen.

Wenn die Pandemie es zulässt, wird es nächstes Jahr Ende Juli wieder ein großes Fest auf dem Seeflughafen in Cuxhaven geben. Zehntausende Menschen werden Bands und Künstler*innen wie Kraftklub, Sido oder Nightwish beim Deichbrand-Festival zujubeln. Auch Daniel Schneider wird mit dabei sein, wie jedes Jahr seit der Gründung, und doch zum ersten Mal in einer neuen Rolle. Der 45-Jährige hat das Festival 2005 mitgegründet. Damals kamen gerade einmal 500 Besucher*innen, im Jahr 2019, als es das bislang letzte Mal vor der Corona-Pandemie stattfinden konnte, waren es mehr als 60.000. Trotzdem hat Schneider im September sein Amt als Geschäftsführer des Deichbrand niedergelegt. Denn er sitzt jetzt für die SPD im Bundestag.

Ein klassischer Quereinsteiger

Der Niedersachse ist im politischen Betrieb wohl das, was man einen klassischen Quereinsteiger nennt. Erst im Zuge des Wahlkampfes wird er im September 2020 SPD-Mitglied. Mit der Partei sympathisiert, sie unterstützt und gewählt hat er schon vorher. Vier Sozialdemokraten – der Unterbezirksvorsitzende Oliver Lottke, der Ortsvereinsvorsitzende Oliver Ebken, Fraktionschef Gunnar Wegener und Cuxhavens Oberbürgermeister Uwe Santjer – kamen mit der Idee, ob er nicht für den Bundestag kandidieren wolle, auf ihn zu. 

„Sie haben jemanden gesucht, um Enak Ferlemann zu schlagen“, berichtet Schneider. Der CDU-Mann galt als politisches Schwergewicht, war bis zur Bundestagswahl parlamentarischer Staatssekretär unter Andreas Scheuer im Verkehrsministerium, aber nicht besonders beliebt. „Wir haben es uns ausgerechnet, dass die Chancen gut stehen würden, dadurch dass ich gut vernetzt und seit fast einem Vierteljahrhundert kulturell, touristisch und unternehmerisch unterwegs bin bei uns in der Heimat“, sagt Schneider.

Beratungsgespräch mit Lars Klingbeil

Trotzdem wägt er sorgsam ab, ob er kandidieren soll. Er lässt sich mehrere Monate Zeit bis zur Entscheidung. „Ich hatte als Kulturveranstalter auch eine Menge zu riskieren. Denn meine Existenz gründete darauf, dass alle Leute zum Deichbrand-Festival pilgern. Wenn jetzt einer der beiden Gründer monatelang unter der roten Flagge Wahlkampf macht, finden das naturgemäß eine Menge Leute gut, aber auch manche nicht so gut“, berichtet Schneider von seinen Überlegungen.

Er fährt nach Berlin, trifft sich mit dem damaligen SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. Beide stammen aus dem selben SPD-Bezirk: Nord-Niedersachsen. Sie tauschen sich einen Abend lang aus, über Musik, politische Ideen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Schneider hat zwei Söhne, zwei und sechs Jahre alt. Klingbeil ermuntert ihn: „Wir müssen auch gute Familienväter im Bundestag haben“, sagt er, wie Schneider im Gespräch mit dem „vorwärts“ berichtet. Schließlich ist klar: Er tritt an. Über die Landesliste der niedersächsischen SPD ist er nicht abgesichert. Den Wahlkreis hat Ferlemann bei der vorherigen Wahl mit zwölf Prozentpunkten Vorsprung für die CDU gewonnen.

„Eine coole Story für alle“

Im Wahlkampf setzt er auf Zukunftsthemen. Er will die Region „enkeltauglich“ machen, wie er verspricht. „Ich habe nie gedacht, das mache ich mit links“, sagt Schneider. Drei Tage vor der Wahl hat er ein ungutes Gefühl. Vielleicht hat es nicht gereicht, vielleicht ist der Wahlkreis einfach zu groß, vielleicht hat er mit zu wenigen Menschen persönlich gesprochen. Doch alle Bedenken sind grundlos. Er gewinnt deutlich, mit fast sieben Prozentpunkten Vorsprung. Ab etwa 20 Uhr am Wahlabend ist klar: Der Kulturmanager hat den Sprung in die Politik geschafft. „Mir war klar: In dem Augenblick, in dem das funktioniert, ist das nachher auch eine coole Story für alle, auch für das Festival“, sagt Schneider.

Einen Tag nach der Wahl geht es schon nach Berlin, dienstags die erste Fraktionssitzung im Plenarsaal des Bundestages. Statt Campino von den Toten Hosen trifft er dort Olaf Scholz von der SPD. Politiker statt Popstars. „Ich empfinde Demut und Dankbarkeit. Es ist nicht nur Freude, sondern auch Respekt vor den Aufgaben“, sagt Schneider, der seinem Herzensthema künftig trotzdem treu bleibt. Er gehört dem Ausschuss für Kultur und Medien an. „Das ist mein absoluter Erstwunsch gewesen. Da bin ich am meisten wert und kann mich am besten einbringen“, sagt er.

Mit der Fraktion aufs Festival

Die neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat er schon einmal kurz auf dem Gang getroffe und ihr „Hallo“ gesagt. Seine neuen Kolleg*innen in der SPD-Bundestagsfraktion hat er schon in der ersten Sitzung nach Niedersachsen eingeladen: „Ich habe gleich gesagt, dass das Deichbrand-Festival mein heißester Tipp für die Sommerpause ist und habe vorgeschlagen, dass viele von uns im nächsten Jahr dorthin mitkommen.“ Schneider freut sich schon sehr auf seine Rückkehr in neuer Rolle: „Ich habe Schmetterlinge im Bauch, wenn ich daran denke, dass ich unser Festival ab dem neuen Jahr in der Sommerpause als Abgeordneter in einer neuen Rolle kennenlernen kann.“ 

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

0 Kommentare
Noch keine Kommentare