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SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley: „Ich habe richtig Lust“

Katarina Barley soll Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl im kommenden Jahr werden. Das Präsidium der Partei hat die Vizepräsidentin des Europaparlamentes am Montag einstimmig nominiert. Barley selbst sprach von einer großen Aufgabe.
von Vera Rosigkeit · 25. September 2023
Bereit für die Europawahl: SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley mit den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Bundeskanzler Olaf Scholz.
Bereit für die Europawahl: SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley mit den Parteivorsitzenden Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Bundeskanzler Olaf Scholz.

„Go your own way“ von Fleetwood Mac dröhnt aus den Boxen der Lautsprecher im Willy-Brandt-Haus. Auf kleinen roten und blauen Hockern sitzen Parteimitglieder, die sich für diese Veranstaltung am Montagnachmittag bewerben konnten. Derweil umringt die SPD-Spitze eine Frau für ein Selfie. Es ist Katarina Barley, wenige Stunden zuvor vom Präsidium der Partei einstimmig als Spitzenkandidatin für die Europawahl im kommenden Jahr nominiert worden. „Erst mal wow! Das ist ein echt tolles Bild“, sagt die Vizepräsidentin des Europaparlamentes, als sie die Bühne betritt.

Ein anderes Europa als 2019

Es sei eine große Ehre und eine große Freude, die Spitzenkandidatur zu übernehmen. „Ich weiß um die Größe der Aufgabe“, sagt Barley, die zum zweiten Mal nach 2019, damals noch im Tandem mit Udo Bullmann, als SPD-Spitzenkandidatin in eine Europawahl zieht. Doch es sei nicht mehr dasselbe Europa wie damals, sagt sie. „Wir haben erlebt, wie es ist, wenn Europa zusammenhält“, sagt sie mit Blick auf die Solidarität während der Corona-Pandemie. Zugleich habe Europa nach dem russischen Angriff vom ersten Moment an solidarisch an der Seite der Ukraine gestanden. „Demokratie und Frieden – das ist das große Versprechen von Europa, auch für die Ukraine“, macht Barley deutlich und erntet kräftigen Applaus.

Deutschland könne stolz darauf sein, wie es Arme und Herzen für Geflüchtete aus der Ukraine geöffnet habe, sagt sie. Zugleich würden jedoch überall die politischen Auseinandersetzungen immer schriller und lauter. Vernunft und Anstand spiele immer weniger eine Rolle, wie man aktuell am Beispiel des Landtagswahlkampfes in Bayern sehe, sagt Barley und fügt an: „Wenn wir Europa zusammenhalten wollen, müssen wir genau das Gegenteil tun.“ Denn was Solidarität und entschlossenes Handeln bewirken können, sei im vergangenen Jahr sichtbar gewesen, als der angekündigte Wut-Winter aus- und die Energieversorgung gesichert blieb. Barley lobt in diesem Zusammenhang ausdrücklich das politische Handeln des ebenfalls anwesenden Bundeskanzlers Olaf Scholz.

Barley: „Migrationspolitik kann nicht so bleiben“

Sie spart zugleich in ihrer kurzen Ansprache auch schwierige Themen nicht aus. Sie spricht über „eine Migrationspolitik, die so nicht bleiben kann“. Der aktuelle Zustand sei für alle Beteiligten unerträglich, sagt Barley und macht deutlich: „Es liegt in unserer Hand, das zu steuern.“ Sie fordert, das individuelle Recht auf Asyl aufrechtzuerhalten, bessere Wege zur legalen Migration wie mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Deutschland zu schaffen, aber auch denjenigen ohne Bleibeperspektive klar zu machen, dass sie Europa wieder verlassen müssen.

Deutlich stellt sich Barley gegen den wachsenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in Europa. „Es gibt einen Punkt, da ist bei mir Schluss“, sagt sie in diesem Zusammenhang. „Diese Leute“ würden erst dadurch stark, dass man sie stark mache, ihre Sprache übernehme und mit ihnen paktiere. Dann würden wie in Italien die Sozialhilfe per SMS gestrichen oder wie in Polen das Recht auf Abtreibung beschnitten. „Ein solcher Rechtsruck droht für die gesamte EU“, warnt Barley. Damit es nicht so weit komme, brauche es eine starke Sozialdemokratie, sagt sie und kündigt an: „Ich habe richtig Lust, einen tollen Wahlkampf zu machen.“

Klingbeil: Wollten Klarheit schaffen

Der Parteiführung sei es wichtig gewesen, frühzeitig Klarheit zu schaffen, „wie wir in diesen Wahlkampf gehen“, betont SPD-Chef Lars Klingbeil. Mit Katarina Barley als überzeugter Europäerin habe der Wahlkampf ein Gesicht bekommen. Europa sei unter Druck geraten, fügt Klingbeil hinzu. Den Angriffskrieg Russlands nennt er als Beispiel dafür, dass es mehr Europa brauche, nicht weniger. Aber auch der Angriff von Rechtspopulist*innen, Rechtsextremen und auch „manchmal von Konservativen gegenüber der europäischen Union, wird uns fordern“, betont er. Es gehe darum, die europäischen Werte hochzuhalten. Dass Deutschland stärker sei durch eine starke europäische Union werde der „Grundtenor in unserem Wahlkampf sein“. Klingbeil kündigt an, den Menschen jeden Tag verdeutlichen zu wollen, wie sie davon profitieren, dass wir ein starkes Europa haben. Dafür sei Katarina Barley genau die richtige.“

Auch SPD-Chef Esken verwies darauf, dass Barley überzeugte Europäerin sei und als Vize-Präsidentin des europäischen Parlamentes diese Werte jeden Tag lebe. Für Esken steht Europa als Bollwerk gegen den überall spürbaren Rechtsruck.

Scholz: Um jede Stimme kämpfen

SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz verweist darauf, dass nicht Europa gewählt, sondern entschieden werde, wie es in Europa weitergehen soll. Für die SPD gelte, dass Europa wichtig sei für Frieden und Sicherheit. Der Angriffskrieg Russlands habe gezeigt, dass Dinge nicht selbstverständlich sind. Sozialdemokrat*innen stünden für eine Politik, die auf dem Prinzip beharrt, dass niemand der Hinterhof des anderen ist, betont Scholz und fügt hinzu: „Dass das Recht stärker ist als die Macht und niemand mit Gewalt Grenzen verschiebt.“ Auch habe die Politik der Sozialdemokratie schon immer auf Ausgleich und Augenhöhe gesetzt. Katarina Barley stehe für eine solche Politik, sowie für eine Politik für gute und sichere Arbeitsplätze und dafür, dass viel getan werde für Innovation und Fortschritt. Scholz verspricht, dass die SPD für jede Stimme kämpfen werde. „Einmal für die, die abgegeben werden soll, und dann dafür, dass die abgegebene Stimme auch bei Rot landet.“

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Vera Rosigkeit

hat Politikwissenschaft und Philosophie in Berlin studiert und ist Redakteurin beim vorwärts.

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