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SPD Schleswig-Holstein: Warum Tarek Saad für den Landtag kandidiert

Vor sieben Jahren floh Tarek Saad aus Syrien nach Deutschland. Nun will er für die SPD Schleswig-Holstein bei der Landtagswahl antreten. Die Gründe dafür erklärt er im Interview.
von Jonas Jordan · 19. Mai 2021
Tarek Saad will im kommenden Jahr für den Landtag von Schleswig-Holstein kandidieren.
Tarek Saad will im kommenden Jahr für den Landtag von Schleswig-Holstein kandidieren.

Sie sind seit kurzem Beisitzer im Landesvorstand der SPD Schleswig-Holstein. Wie haben Sie Ihre Wahl auf einem digitalen Parteitag erlebt?

Ich habe mich sonst immer mit vielen Genossinnen und Genossen auf einer persönlichen Ebene unterhalten. Das hat diesmal gefehlt. Deswegen habe ich mich vor dem digitalen Parteitag bei vielen Kreisverbänden vorgestellt und ihnen erzählt, welche Absichten ich für den Landesvorstand habe. Die digitale Abstimmung lief dann rund.

Wie haben Sie von dem Ergebnis erfahren?

Es gab zehn Bewerbungen für sieben Beisitzerplätze. Die Delegierten haben zunächst online abgestimmt, sodass letztlich sieben Bewerbungen übrig blieben, die am Tag darauf noch einmal per Urnenwahl bestätigt wurden. Somit war das Ergebnis eigentlich bereits am Samstag während des Online-Parteitags klar.

Innerhalb des Landesverbands haben Sie sich in den vergangenen Jahren unter anderem als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt einen Namen gemacht. In dieser Funktion haben Sie kürzlich gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Papier für eine sozialdemokratische Migrations- und Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein vorgestellt. Was sind die Kernpunkte?

Es geht darum, die Flucht- und Migrationspolitik in Schleswig-Holstein konkret zu verbessern. Es gab viele Ideen der beteiligten Akteure, zum Beispiel die Verbesserung von Erstaufnahmeeinrichtungen, eine klarere antirassistische Arbeit und den Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Fluchterfahrung zu verbessern, aber auch die Gesundheitsversorgung in Corona-Zeiten zu verbessern oder auch Missverständnisse ausräumen, wenn jemand kein Deutsch spricht. Das Papier soll auch als Grundlage für das Wahlprogramm der SPD Schleswig-Holstein für die Landtagswahl 2022 dienen.

Wie schmerzhaft ist es, dass Ihre Vorschläge nicht sofort in Regierungshandeln umgesetzt werden können, da in Schleswig-Holstein zurzeit eine Jamaika-Koalition an der Macht ist?

Es gibt in vielen Dingen akuten Handlungsbedarf, zum Beispiel was die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen angeht. Vielleicht kann die Regierungskoalition ja schon mal einen Alternativvorschlag machen, um das Problem zu behandeln. Gleichzeitig steht das Papier allen Parteien zur Verfügung und ich hoffe, dass sich viele politisch daran orientieren. Wahrscheinlich werden sie es aber ablehnen, weil der Parteistolz zu groß ist, was ich sehr, sehr bedauere. Meine Aufgabe sehe ich darin, allen migrationspolitischen Sprechern der demokratischen Parteien das Papier zuzusenden und sie darauf aufmerksam zu machen, dass es Handlungsbedarf gibt.

Nächstes Jahr wird in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag gewählt. Könnten Sie sich eine Kandidatur vorstellen?

Vor dem Landesparteitag war es für mich noch nicht klar, ob ich antreten möchte. Seit September 2020 habe ich einen deutschen Pass. Damit kann ich unabhängig von der Ausländerbehörde hinziehen, wo ich möchte. Das ist sehr hilfreich für mich. Ich ziehe nun mit meiner Verlobten nach Trappenkamp, eine Gemeinde im Kreis Segeberg. In den vergangenen 20 Jahren hat die CDU dort den Wahlkreis gewonnen. Ich möchte das ändern und bewerbe mich für eine SPD-Direktkandidatur.

Durch die Kandidatur stehen Sie noch stärker in der Öffentlichkeit. Haben Sie Angst vor Anfeindungen?

Das spielt natürlich eine Rolle. Ich habe mit meiner Verlobten sehr viel darüber gesprochen, ob ich es machen soll. Ich bin für mich zu der Überzeugung gekommen, dass der neue Teil der Gesellschaft auch seine politische Repräsentation im Landtag braucht. Nur drei Abgeordnete im Landtag von Schleswig-Holstein haben aktuell einen Migrationshintergrund. Das ist hart. Denn 15 Prozent der Bevölkerung haben einen Migrationshintergrund. Durch die Geschichte der Partei und auch Willy Brandt, der selbst Flüchtling war, kann ich mir vorstellen, dass die SPD für eine bessere Repräsentation sorgen kann. Ich mache ein Angebot an die Gesellschaft. Es kann sein, dass nicht alle glücklich darüber sein werden, aber ich habe das Schlimmste in meiner Heimat Syrien schon erlebt. Wenn es zu Bedrohungen kommt, werde ich gut damit umgehen können.

Macht es Sie stolz, sieben Jahre nach Ihrer Ankunft in Deutschland diesen Schritt zu gehen?

Ich fühle mich hier zu Hause in Schleswig-Holstein. Das Bundesland ist meine Heimat geworden. Daher bin ich sehr stolz, dass ich diesen Schritt gehe. Ich hoffe, dass es klappt.

Welche Rolle hat die SPD-Landesvorsitzende Serpil Midyatli für Ihren Werdegang in der SPD gespielt?

Serpil als Landesvorsitzende hat für mich immer eine Vorbildrolle ausgefüllt. Als sie das erste Mal für den Landtag kandidiert hat, hatte sie es auch schwer. Ich habe ihr Bescheid gegeben, dass ich antrete und ich glaube, dass sie Bewegung und jeden unterstützt, der oder die ihren Teil dazu beitragen will, die Gesellschaft in Schleswig-Holstein politisch besser zu repräsentieren.

Wie wichtig ist es für Sie, dass das Bundesland ab 2022 wieder SPD-geführt wird?

Das einzige Wahlversprechen, das die CDU in Schleswig-Holstein erreicht hat, war, eine Abschiebehaft einzuführen. Viele andere Wahlversprechen haben sie gebrochen. Im Integrationsgesetz, das die CDU nun auf den Weg bringen möchte, steht nichts, was mir als Mensch mit Fluchterfahrung hätte helfen können. Keine Vorschläge für bessere Integrationskurse, keine Vorschläge zu politischer Teilhabe, keine Vorschläge zur Verbesserung der Personalsituation in der Ausländerbehörde. Deswegen brauchen wir einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten oder eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin, die dafür sorgt, dass alle Menschen hier in Frieden und Freiheit leben können. Egal, woher diese Menschen kommen.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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