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SPD Halle: Wie ein Ortsverein gegen den Trend Mitglieder gewinnt

Die SPD schrumpft? Von wegen! Der Ortsverein Halle-Nordost gewinnt seit Jahren Mitglieder. Inzwischen ist er der größte in Sachsen-Anhalt. Ein Grund für den Erfolg ist das gute Zusammenspiel zwischen Jung und Alt.
von Kai Doering · 9. August 2022
Auf Wachstumskurs: Der SPD-Ortsverein Halle-Nordost ist inzwischen der größte OV in Sachsen-Anhalt.

Mitte Februar war es so weit. Da begrüßte der Ortsverein Halle-Nordost sein 200. Mitglied, einen Gesundheits- und Krankenpfleger, 39 Jahre alt. „Damit setzt sich ein erstaunliches Wachstum ‚gegen den Trend‘ fort“, schrieb der Ortsverein auf seiner Facebook-Seite. „2003 hatten wir ‚nur‘ 120 Genoss*innen in unseren Reihen und wachsen seitdem konstant.“ Wie konnte das gelingen?

Alt und Jung arbeiten gut zusammen

Ein lauer Sommerabend Mitte Juni: Der Ortsverein hat zum Stammtisch in den Biergarten eines Irish Pub in der -August-Bebel-Straße eingeladen. Die Tische sind gut gefüllt. Es gibt Bier vom Fass, Pommes und Fleisch vom Grill. Ganz hinten hat der Ortsverein mehrere -Tische zusammengeschoben. Etwa 20 Genossinnen und Genossen sitzen -daran. Eine von ihnen ist Ute Winkler. -Sie war mal die erste Frau an der Spitze des Landes-sozialgerichts Sachsen-Anhalt. Vor 25 Jahren kam sie aus Hessen nach Halle – und in den Ortsverein Nordost.

„Alt und Jung arbeiten hier gut zusammen“, erzählt die 81-Jährige. „Wir nehmen uns gegenseitig ernst.“ Das -bestätigt auch Fabian Stegner. Er ist vor einigen Jahren zum Studium nach Halle gekommen und im Ortsverein gelandet. „Wir haben hier eine super Mischung“, sagt Stegner und betont: „Die Jungen werden von den Granden erst genommen.“ Ihn selbst hat „der konsequente Einsatz gegen die Feinde der Demokratie“ in die SPD gebracht, auch das ist in Halle ein Thema. Nur eine Querstraße vom Pub entfernt unterhielt die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ bis vor ein paar Jahren ein Schulungszentrum. Immer wieder kam es zu Demonstrationen. Inzwischen wurde das Haus -verkauft.

Als Frau gut aufgehoben

Lukas Waterstraat ist 2017 in Passau in die SPD eingetreten. Der gebüritge Hallenser kehrte zum Masterstudium in seine Heimatstadt zurück. Zum Stammtisch ist er mit Felix Klüpfel gekommen. Für ihn ist es das erste Treffen seines -neuen Ortsvereins. Er war vorher bereits in -Gießen in der SPD aktiv. „Es ist schön, hier mit Leuten in Kontakt zu kommen, die man im normalen Alltag nicht -treffen würde“, sagen die beiden. Mit Rüdiger Fikentscher zum Beispiel. Er war der erste Vorsitzende der nach dem Mauerfall neu gegründeten SPD in Sachsen-Anhalt und acht Jahre lang Fraktionsvorsitzender im Landtag.

„Der Ortsverein ist etwas ganz Wichtiges“, betont der 81-Jährige. Auch in seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender seien die OV-Sitzungen „immer heilig“ gewesen. „Das wussten meine Mitarbeiter genau.“ Vor anderen Terminen hätten die Treffen des Ortsvereins immer Vorrang gehabt. Fikentschers Erklärung ist ganz einfach: „Wenn ich hier meine politischen Vorstellungen nicht erklären kann, dann kann ich es außerhalb der Partei schon gar nicht.“ Deshalb freut Fikentscher das Wachstum seines Ortsvereins auch besonders. „Wir müssen immer rechtzeitig dafür sorgen, dass junge Leute nachkommen“, sagt er.

Drei von ihnen sind Franca Meye, Anne Matviyets und Paulin Amler. Meye ist Vorsitzende der Jusos in Sachsen-Anhalt. Amler hat im April den Vorsitz der Jusos in Halle von Matviyets übernommen. „Frauen bringen Frauen mit“, sagt Anne Matviyets und lächelt. Das erkläre auch den Anteil der vielen aktiven Frauen im Ortsverein. „Ich habe mich als Frau hier gleich sehr gut aufgehoben gefühlt“, bestätigt auch Franca Meye. „Wir sprechen immer auf Augenhöhe miteinander.“

Persönliche Ansprache wichtig

Das ist auch Andrej Stephan wichtig. Er ist seit 2018 Vorsitzender des Ortsvereins. Im vergangenen Jahr wurde er wiedergewählt, unter Corona-Bedingungen. „Die Vorstellung fand per Video-konferenz statt. Danach haben wir den Vorstand per Urnenwahl in der Geschäftsstelle gewählt“, erzählt er. Umso schöner sei es, sich jetzt wieder richtig zu treffen. „Wir haben eine Gruppe von etwa 50 Aktiven, die sich regelmäßig sehen“, sagt Stephan. Neben den Stammtischen gebe es monatliche Ortsvereinssitzungen. Auch zu den mitgliederoffenen Vorstandssitzungen kämen nie weniger als 15 Leute: „Manche lassen keine Sitzung aus.“

Dass der Ortsverein seit Jahren wachse – inzwischen ist er der größte in Sachsen-Anhalt – habe unterschiedliche Gründe. „Wir profitieren von der großen Universität, sprechen aber auch gezielt Menschen zum Mitmachen an.“ Gerade letzteres sei entscheidend, wenn es um Neumitglieder geht. So sei vor einiger Zeit auch eine Über-70-Jährige neu eingetreten. Inzwischen hat der Ortsverein 201 Mitglieder.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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