SPD Distrikt Rahlstedt: Wo Olaf Scholz zum Genossen wurde
An den jungen Olaf Scholz kann sich Günter Frank noch gut erinnern. „Olaf kam als 17-jähriger Schüler zu uns. Seine Eltern waren mit ihm und seinen beiden Brüdern in den Ortsteil Großlohe gezogen. Der galt damals als sozialer Brennpunkt.“ Frank war damals 29 und Vorsitzender des SPD-Distrikts Rahlstedt, wie in Hamburg die Ortsvereine heißen. „Wir waren eine starke Juso-Gruppe und haben den Vorstand gestellt“, erinnert er sich an das Jahr 1975.
Die inoffizielle Kanzler-Schule
Seit Juni dieses Jahres ist Günter Frank wieder Vorsitzender der Rahlstedter SPD, nun allerdings in einer Doppelspitze mit Anna Heckendorf. Als ihr Distrikt Mitte September sein 100-jähriges Bestehen feierte, konnten die beiden einen prominenten Gast begrüßen: Olaf Scholz. Und der Bundeskanzler kam nicht nur dorthin zurück, wo er vor 47 Jahren in die SPD eingetreten ist. Die Jubiläumsfeier fand auch in der Aula seiner ehemaligen Grundschule „Großlohering“ statt. „Als Olaf zugesagt hat, zu kommen, haben wir dort angefragt und die Schule hat sich sofort sehr gefreut“, berichtet Günter Frank. „Sie nennt sich nun inoffiziell Kanzler-Schule“, erzählt er mit einem Augenzwinkern.
„Das war damals eine Überraschung für meine Eltern“, erinnerte sich Olaf Scholz in seiner Rede in der Aula an seinen Parteieinritt. Danach nahm sich der Kanzler noch Zeit, Fragen von Schülerinnen und Schülern zu beantworten. „Der Teil hat Olaf großen Spaß gemacht“, erzählt die Co-Vorsitzende Anna Heckendorf.
46,8 Prozent bei der Bürgerschaftswahl
Und es passt zum Ansatz der Rahlstedter Genoss*innen. „Unser Anspruch ist, für die Anliegen der Bürger immer ansprechbar zu sein“, sagt Heckendorf. Regelmäßig zeige der Distrikt an Infoständen Flagge. Die Mandatsträger*innen bieten Radtouren im Stadtteil an, bei denen sie über aktuelle Themen informieren. „Als die Erhöhung des Mindestlohns beschlossen wurde, haben wir morgens um sieben Flyer verteilt“, berichtet Anna Heckendorf.
Bei der vergangenen Bürgerschaftswahl im Februar 2020 holte die SPD in Rahlstedt 46,8 Prozent der Stimmen, die CDU 12,6. „Das ist ein Beleg dafür, dass unsere Stadtteilarbeit Früchte trägt“, findet Günter Frank, der selbst 24 Jahre Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft war. Auch in Vereinen und anderen Institutionen sind die Distrikt-Mitglieder fest verankert. „Wir sind die stärkste politische Kraft in Rahlstedt und wollen es auch bleiben“, sagt er.
Fahne im Schrebergarten versteckt
Das sei nicht immer so gewesen. Bei der Gründung des Distrikts – Rahlstedt gehörte damals noch zum Landkreis Stormarn im heutigen Schleswig-Holstein – habe hier vor allem das Bürgertum den Ton angegeben. Der erste Vorsitzende bezeichnete Rahlstedt als „Hort der Reaktion“. Nur ein einziger Gastwirt war damals bereit, der SPD einen Raum für ihre Versammlungen zu überlassen. Eine Traditionsfahne, die die Jahrzehnte überdauerte und während der Nazi-Zeit in einem Schrebergarten versteckt wurde, erinnert an das Gründungsjahr 1922. Heute hat der Distrikt 135 Mitglieder. „Wir arbeiten eng mit unseren Nachbar-Distrikten Oldenfelde und Meiendorf zusammen“, erzählt Günter Frank. „Das wollen wir noch vertiefen.“
Die Corona-Zeit sei ein Einschnitt ins Parteileben gewesen. „Es ist schön, dass vieles nun wieder möglich ist.“ Wenn ein Mitglied Geburtstag hat, bringt Anna Heckendorf die Glückwunschkarte persönlich vorbei. „Dieser Kontakt ist uns wichtig und die Mitglieder freuen sich immer sehr“, sagt sie. Heckendorf hatte gemeinsam mit anderen Genossinnen auch die Idee, eine eigene Frauengruppe in der Rahlstedter SPD ins Leben zu rufen. „Gemeinsam mit der ASF Wandsbek planen wir gerade Infostände zu frauenpolitische Themen, von der Kinderbetreuung bis zu ungleicher Bezahlung.“
Suche nach einem Partner-OV
Auch einen Frauentreff möchte Anna Heckendorf aufbauen. „Wir wollen informieren und interessieren“, sagt sie. So will sie insbesondere junge Wählerinnen ansprechen. Und noch etwas planen sie in Rahlstedt gerade: eine Partnerschaft mit einem anderen Ortsverein. Im Blick haben sie dabei Dresden, ebenfalls an der Elbe gelegen, aber mit einer ganz anderen politischen Geschichte. „So eine Partnerschaft kann die Parteiarbeit nur beleben“, ist Günter Frank überzeugt. Und wer möchte nicht mit dem Ortsverein befreundet sein, in dem der Kanzler SPD-Mitglied geworden ist?
Dirk Bleicker | vorwärts
ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.