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SPD-Abgeordneter Armand Zorn: „Wir haben Geschichte geschrieben“

Mit zwölf Jahren kam Armand Zorn aus Kamerun nach Deutschland und sprach kein Wort Deutsch. Nun hat er in Frankfurt das Direktmandat gewonnen und sitzt für die SPD im Bundestag.
von Jonas Jordan · 30. September 2021
Aus Frankfurt direkt in den Bundestag: Armand Zorn ist einer von 104 neuen SPD-Abgeordneten.
Aus Frankfurt direkt in den Bundestag: Armand Zorn ist einer von 104 neuen SPD-Abgeordneten.

Am Dienstagvormittag betritt Armand Zorn zum ersten Mal den Plenarsaal des Bundestages. Seit etwa 36 Stunden weiß der 33-Jährige, dass er dem Parlament künftig angehören wird. Im Frankfurter Wahlkreis 182 hat er mit 29 Prozent deutlich für die SPD das Direktmandat gewonnen, mehr als sieben Prozentpunkte vor dem CDU-Kandidaten, mehr als zehn vor der Kandidatin der Grünen. Und das, obwohl beide Parteien bei den Zweitstimmen vorne lagen. „Dass es so deutlich wird, hätte ich nicht gedacht. Das hat mich sehr berührt und überwältigt“, sagt Zorn im Gespräch mit dem „vorwärts“.

Schon bei seiner Vorstellungsrunde auf der SPD-Mitgliederversammlung hatte er das Ziel ausgegeben, das Direktmandat gewinnen zu wollen. Dass er auf der Landesliste der hessischen SPD nur auf dem aussichtslosen Platz 23 stand, war für Zorn eher ein weiterer Ansporn. Es passte gewissermaßen zu seiner Biografie. Denn Zorns Weg war nicht immer einfach. Mit zwölf Jahren kam er ohne Deutschkenntnisse aus Kamerun nach Halle an der Saale. Da es damals in Halle keine Deutschkurse für Kinder gab, lernte er die Sprache mit der Hilfe seiner Eltern. 2007 Abitur, Studium an der Sciences Po in Paris, Master in Konstanz, Diplom an der John Hopkins Universität, zusätzlicher Master in Wirtschaftsrecht in Halle und an einer chinesischen Universität.

Unterstützt von BrandNewBundestag

Nach dem Studium arbeitet er sechs Jahre lang als Unternehmesberater. In der SPD ist Zorn seit 2011. Seit 2019 ist er Vorstandsmitglied der Frankfurter Sozialdemokrat*innen. Parteiintern setzt er sich im Rennen um die Bundestagskandidatur gegen zwei Mitbewerber durch. Die Prognosen für seinen Wahlkreis sehen vorab gut aus. Doch darauf schaut Zorn nicht groß. „Menschen überzeugt man im Wahlkampf“, sagt er. Deshalb ist er ab Mai für Haustürbesuche unterwegs. Untersützt wird er auch von vieleen Menschen, die nicht in der SPD sind, ebenso wie von der überparteilichen Initiative BrandNewBundestag.

Nach dem Vorbild der amerikanischen Initiativen BrandNewCongress, die u.a. dabei half, dass Alexandria Ocasio-Cortez 2019 ins US-Repräsentantenhaus einzog, unterstützt sie progressive Kandidat*innen. Eine gute Freundin hatte Zorn dort nominiert. Nach einem umfangreichen Auswahlverfahren wird er einer von elf Kandidierenden der Initiative. „Die Zusammenarbeit war sehr gut. Sie haben die Brücke zu zivilgesellschaftlichen Organisationen geschlagen und junge, progressive Menschen zusammengebracht, die dieselben Ideale teilen“, sagt Zorn. Neben ihm unterstützt BrandNewBundestag von der SPD auch Rasha Nasr aus Sachsen, die ebenfalls künftig der SPD-Fraktion angehört.

Drei Abgeordnete mit einer Gemeinsamkeit

Für Zorn steht das Ergebnis im Laufe des Wahlabends fest. Auf seiner Wahlparty feiert er mit vielen jungen Leuten den Einzug in den Bundestag. Gegen ein Uhr nachts ist er zuhause. Erst dann hat er Zeit, sich die Zahlen noch mal im Detail anzuschauen. Auch die „Elefantenrunde“ mit SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schaut er sich noch einmal an. Um halb vier ist er im Bett. Um sieben Uhr steht er wieder auf. Der Montag ist voll gepackt mit Interviews und Wahlauswertungen. Irgendwann muss er auch noch seinen Koffer packen. Um 19 Uhr steigt Zorn schließlich in den Zug Richtung Berlin.

Am nächsten Tag steht die erste Fraktionssitzung im Plenarsaal an, ein erstes Kennenlernen der neuen, jungen, diversen SPD-Parlamentarier*innen. Alle Neuen haben eine Minute Zeit, um sich vorzustellen. Zorn berichtet von seiner Geschichte, von seinem Lebensweg und einer Eigenschaft, die nun drei SPD-Abgeordnete teilen: „Sanae Abdi, Karamba Diaby und ich haben Geschichte geschrieben. Wir sind alle drei in Afrika geboren. Karamba und ich sind zudem die ersten afrikanischstämmigen Bundestagsabgeordneten, die das Direktmandat gewonnen haben.“

Gegen Diskriminierungen kämpfen

Diese Tatsache mache ihn stolz und stimme ihn hoffnungsvoll, sagt Zorn. „In der SPD ist es nicht wichtig, woher du kommst, sondern wohin du willst.“ Im Bundestagswahlkampf vor Ort habe seine Hautfarbe keine Rolle gespielt. Er sei genauso behandelt worden wie alle anderen Kandidat*innen auch. Gleichwohl gebe es innerhalb der Gesellschaft immer noch Diskriminierung, gegen die er als Bundestagsabgeordneter aktiv ankämpfen wolle. Als Wirtschaftsfachmann hat er zudem drei Wunsch-Ausschüsse: Wirtschaft und Energie, Finanzen oder Digitalisierung.

Autor*in
Jonas Jordan
Jonas Jordan

ist Redakteur des „vorwärts“. Er hat Politikwissenschaft studiert und twittert gelegentlich unter @JonasJjo

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