Parteileben

„Sozis für Tiere“: Warum sich die SPD stärker um den Tierschutz kümmern sollte

Eigentlich ist Tierschutz ein ur-sozialdemokratisches Thema, in der SPD allerdings zu wenig präsent, sagt Stefan Sander. Mit seinem Verein „Sozis für Tiere“ will er das ändern – und fordert u.a., dass Tierprodukte teurer werden.
von Kai Doering · 26. Dezember 2019
Kurzbesuch auf dem Parteitag: Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (l.) schauten am Stand der „Sozis für Tiere“ vorbei – zur Freude des Vorsitzenden Stefan Sander (2.v.r.)
Kurzbesuch auf dem Parteitag: Die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans (l.) schauten am Stand der „Sozis für Tiere“ vorbei – zur Freude des Vorsitzenden Stefan Sander (2.v.r.)

Was stand bei Ihnen zu Weihnachten auf dem Tisch?

Bei uns gab es in diesem Jahr ganz klassisch einen Kartoffelsalat, bei uns dann eben mit Räuchertofu. Zum Nachtisch haben wir Mousse au Chocolat und Bratapfel gemacht.

Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat vor einigen Jahren mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“ geworben. Ist das heute noch zeitgemäß?

Der SPD ging es natürlich nicht um die Bewerbung von Currywurst, sondern vielmehr um die Herstellung von Nähe. So nach dem Motto: Auch wir gehen nach der Maloche dann und wann zur Frittenbude, wir verstehen dich! Gut, dass es da immer öfter auch leckere vegane Currywurst gibt. Ich weiß allerdings auch, dass sich viele Tierschützer*innen damals sehr über den Spruch geärgert haben. Auch grenzt das Verpflegungsangebot bei unseren Parteiveranstaltungen häufig immer noch Menschen aus und ist aus Klima- und Tierschutzperspektive alles andere als zufriedenstellend.

Auf ihrer Internetseite schreiben die „Sozis für Tiere“, die Ausbeutung von Tieren sei „ein vergessenes Thema der Sozialdemokratie“. Was meinen Sie damit?

Es gibt sehr vielschichtige und tiefgehende Betrachtungen und Stellungnahmen zum Thema Tierschutz und Tierrechte von Sozialistinnen und Sozialisten – von August Bebel, über Rosa Luxemburg bis hin zum Vater des Godesberger Parteiprogramms, Willi Eichler. Auch eine der ersten Theorien, die einen starken Rechtsstatus von Tieren begründet, kommt von einem Sozialisten. In der heutigen SPD spielt das alles leider keine Rolle mehr und ist wohl den meisten sogar unbekannt. Stattdessen reden wir lediglich über ein Tierwohl-Greenwashing. Das ist bedauerlich.

Seit wann ist das so?

Der Wendepunkt kam nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuvor gab es beispielsweise Sozialdemokrat*innen und Sozialist*innen, die ihre Widerstandsarbeit gegen die Nazis mit vegetarischen Gaststätten finanzierten und verdeckten. Nach der Nazi-Herrschaft ging es diesen Genoss*innen verständlicherweise vor allem darum, einen demokratischen Staat aufzubauen. Die starke Tierschutzperspektive wurde nur noch privat weitergelebt.

Versucht man den Tierschutz heute politisch zu verorten, würden wahrscheinlich die wenigsten an die SPD denken. Warum ist das Thema wichtig für die Partei?

Wer progressive Mehrheiten gewinnen will, braucht die SPD. Grüne und Linke haben jeweils eine Arbeitsgemeinschaft für den Tierschutz. Aber sie allein können kaum etwas ausrichten. Das geht nur zusammen mit der SPD. Ich bin mir sicher: Wenn die SPD das Thema Tierschutz stärker in den Vordergrund stellen würde, könnte sie auch bei Wahlen davon profitieren, denn zwei Dritteln der Verbraucher ist Tierschutz wichtig.

Wo sollte die SPD beim Thema Tierschutz aktiver sein?

Die SPD sollte sich für eine drastische Umstellung der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union stark machen. Statt Tierproduktion und damit Tierleid zu unterstützen, sollte nur noch nachhaltige Landwirtschaft unterstützt werden. Und die SPD sollte darauf hinwirken, dass auf Tierprodukte der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent erhoben wird und nicht der reduzierte von sieben.

Das würde bedeuten, dass sich Ärmere deutlich weniger Fleisch leisten könnten.

Nicht wenn die Anhebung sozialpolitisch flankiert ist. Man könnte z.B. darüber nachdenken, dass Obst und Gemüse noch weniger besteuert werden oder dass die Sozialleistungen erhöht werden. Kostenloses Schulessen kann dabei auch eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend ist, dass Tierprodukte einen ehrlicheren Preis bekommen und es weniger selbstverständlich wird, sie zu konsumieren als es bisher der Fall ist.

Rund 15 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes kommen aus der industriellen Tierhaltung. Wie lässt sich das ändern?

Die Landwirtschaft wird viel zu selten unter dem Klimaaspekt bewertet. Das muss sich ändern. Klar ist, dass sich der CO2-Ausstoß in der Landwirtschaft nur reduzieren lässt, wenn weniger Tiere gehalten und weniger tierische Produkte hergestellt werden. Da müssen wir uns endlich ehrlich machen: Wir brauchen deutlich mehr tiergerechte und dadurch klimafreundliche Ernährungsangebote.

Die „Sozis für Tiere“ sind ein eigenständiger Verein, der der SPD nahesteht. Wollen Sie offizieller Arbeitskreis oder sogar Arbeitsgemeinschaft werden?

Im Moment streben wir das nicht an. Unser Ziel ist erstmal, stärker zu werden und mehr regionale Gruppen zu gründen. SPD-Mitglieder und auch Nichtmitglieder sind bei uns herzlich willkommen und wir ermuntern sie ausdrücklich, kritische Anträge im Sinne des Tierschutzes in die SPD einzubringen. Dafür werden wir demnächst auch Vorlagen erarbeiten und auf unserer Internetseite zur Verfügung stellen.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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