Parteileben

Sonja Eichwede: Was die Bundestagsabgeordnete an der Tankstelle lernt

Seit einer Woche ist Sommerpause im Bundestag. Für die Abgeordneten bedeutet das aber nicht Urlaub. Viele nutzen die Zeit für Besuche und Praktika. Sonja Eichwede hat jetzt an einer Tankstelle mitgearbeitet – und außergewöhnliche Einblicke bekommen.

von Kai Doering · 18. Juli 2024
Mehr als nur Benzin: Pyro Anapliotis erklärt Sonja Eichwede, wie die Kasse an seiner Tankstelle in Werder funktioniert.

Mehr als nur Benzin: Pyro Anapliotis erklärt Sonja Eichwede, wie die Kasse an seiner Tankstelle in Werder funktioniert.

Als Sonja Eichwede ihre Schicht beginnt, liegen hinter Pyro Anapliotis bereits viereinhalb Stunden Arbeit. Schon um fünf Uhr hat der Pächter der Sprint-Tankstelle in Werder an der Havel sein rotes T-Shirt angezogen und den Verkaufsraum aufgeschlossen. Eine Mitarbeiterin hat Brötchen geschmiert. Die ersten Autos kamen kurz nach Sonnenaufgang. „Früh am Morgen ist das Benzin meistens etwas günstiger“, erzählt Anapliotis. 40 bis 50 Mal am Tag ändere sich die Anzeige an den Zapfsäulen. Auf den Preis habe er keinen Einfluss. Der werde zentral festgelegt.

Zigaretten sind der größte Posten an der Tankstelle

Nach dieser Einführung ins Tankstellen-Einmaleins geht es für Sonja Eichwede los. Die Brandenburger SPD-Bundestagsabgeordnete absolviert an diesem Tag ein Kurz-Praktikum an der Tankstelle. Inzwischen hat sie ein rot-weißes Sprint-Shirt an und steht hinter der Kasse der Tankstelle. Pyro Anapliotis erklärt ihr das Bezahlsystem, wie sie die einzelnen Zapfsäulen verbucht und welchen Knopf sie bei Kartenzahlung drücken muss. Kurz darauf kommt der erste Kunde. „Einmal die 6 und Zigaretten für 19 Euro“, sagt er. Eichwede kassiert 84 Euro und 2 Cent. Der Mann bezahlt mit seiner Karte und verabschiedet sich. Das Ganze dauert nur ein paar Sekunden.

„Zigaretten sind der größte Posten an der Tankstelle“, erklärt Anapliotis. Jede Woche bestelle er Schachteln und Tabak im Wert von 30.000 Euro. „Neuster Hype sind E-Zigaretten.“ Auch von ihnen hat Anapliotis einige ins Sortiment aufgenommen. Ein weiteres wichtiges Produkt sei Kaffee. Die große Maschine im Hintergrund gibt auf Knopfdruck Espresso, Café Crema, Milchkaffee und Cappuccino aus. Und dann sind da noch die Lotto-Ecke, der Ständer mit den Losen, die Handy-Karten und das Zeitschriftensortiment. Anapliotis‘ Tankstelle ähnelt eher einem kleinen Supermarkt mit angeschlossenen Zapfsäulen.

Getränke, Eis und Aufback-Brötchen

Ein Mann mit Fahrradhelm betritt den Verkaufsraum. Er fragt nach einer Briefmarke für einen Standardbrief und einer für eine Postkarte. Pyro Anapliotis greift unter die Theke und zieht einen Aktenordner hervor. In Klarsichtfolien finden sich die unterschiedlichsten Briefmarken. Die Folie mit Marken für Postkarten ist jedoch leer. „Tut mir leid“, sagt Anapliotis. Der Mann bedankt sich trotzdem und bittet den Tankstellen-Pächter, die andere Marke gleich auf den Brief zu kleben.

Dann fährt ein großer LKW vor. „Los geht’s!“, ruft Anapliotis‘ Mitarbeiter Denny und Sonja Eichwede folgt ihm zum Hintereingang. In großen Pappkartons tragen sie Aufback-Brötchen und Baguettes ins Lager. Auf Rollwagen werden Getränke und Eis-Kartons hereingefahren. Gemeinsam packen Denny und Eichwede Kisten aus und verstauen den Inhalt im Gefrierschrank. „Das erinnert mich an mein Praktikum im Supermarkt“, sagt Sonja Eichwede. „Da habe ich die Regale eingeräumt. Wichtig war, dass die neue Ware immer ganz hinten stand.“

Wasser sparen beim Autowaschen

Als alles eingeräumt ist, nimmt Denny Sonja Eichwede mit nach draußen. Neben den Zapfsäulen steht die Waschanlage. „Das Wasser verwenden wir ein bis eineinhalb Jahre“, erklärt der Tankstellen-Mitarbeiter. Frischwasser komme nur beim Abspülen ganz am Ende zum Einsatz. Der Rest werde aufgefangen, der Dreck rausgesiebt und das Wasser wieder aufbereitet. In einem Raum neben der Waschanlage steht ein schwarzer Behälter, der an eine Regentonne erinnert. Hier wird das Wasser für die nächste Wäsche gesammelt. „Wir verbrauchen hier höchstens einen halben Kubikmeter Wasser am Tag“, erklärt Denny. Umgerechnet also etwa drei Badewannen-Füllungen. „Eine Autowäsche nur mit Frischwasser wäre auch unbezahlbar.“

Sonja Eichwede ist sichtlich beeindruckt. Ihr Auto hat sie schon häufiger hier waschen lassen, aber mal so hinter die Kulissen blicken zu können, ist schon etwas Besonderes. Danach geht es im Tankstellengebäude weiter. Gemeinsam mit Denny verbucht sie die gelieferten Waren im elektronischen System. Nach drei Stunden ist für Sonja Eichwede Feierabend. Die Bundestagsabgeordnete muss zum nächsten Termin. Nebenbei erfährt sie noch, wie sich die Sprint-Tankstellen auf die Elektromobilität einstellen (Ende des Jahres sollen über einen externen Dienstleister die ersten Ladesäulen installiert werden) und dass dem Verbrenner-Aus der EU hier gelassen entgegengeblickt wird.

Bevor sie weitermuss, tankt die Abgeordnete nochmal voll. Als sie bezahlt, steht sie auf der anderen Seite der Theke, die sie in den drei Stunden zuvor so gut kennengelernt hat. Das rot-weiße Sprint-T-Shirt darf sie behalten.

Autor*in
Kai Doering
Kai Doering

ist stellvertretender Chefredakteur des vorwärts. Er betreut den Bereich Parteileben und twittert unter @kai_doering.

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